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Ermittlungen der "Zentralstelle Cybercrime Bayern" und des LKA führten nach Bremen. Dem jungen Mann werden rund 150 Fälle zur Last gelegt. Jetzt wurden Details bekanntgegeben.

(ty) Im vergangenen Jahr häuften sich die Fälle ganz spezieller Spam-E-Mails. In diesen Nachrichten wurde dem Empfänger vorgespiegelt, dass sein Computer mit einer Schadsoftware infiziert sei, die unbemerkt Videoaufnahmen über die Web-Cam anfertige. Die Täter behaupteten in den meisten Fällen außerdem, auf diese Art und Weise Filmaufnahmen des Computer-Nutzers beim Besuch von pornographischen Webseiten beziehungsweise bei sexuellen Handlungen erstellt zu haben. Diese würden sie im Umfeld des Betroffenen – soziale Medien, Familien- und Freundeskreis – verbreiten, sollte dieser kein "Schweigegeld" an den Täter bezahlen. Die Geldzahlung wurde in den meisten Fällen in Form der digitalen Kryptowährung "Bitcoin" gefordert.

Tatsächliche Sorgen mussten sich die Empfänger der E-Mails nicht machen: Bislang sei kein einziger Fall bekannt, in dem es tatsächlich zu einer Infektion des Rechners mit Schadsoftware gekommen war. "Mittlerweile ist klar, dass unabhängig voneinander mehrere Täter und Täter-Gruppierungen entsprechende Spam-Kampagnen gestartet hatten", heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der "Zentralstelle Cybercrime Bayern" (ZCB) und des bayerischen Landeskriminalamts (LKA). Die Gesamtzahl der im Freistaat angezeigten Straftaten mit diesem Modus Operandi liege derzeit bei knapp 3200. Die Ermittlungen wurden für alle bayerischen Fälle von der bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg errichteten ZCB und dem LKA geführt. Ebenfalls in die Ermittlungen eingebunden waren die regionalen Polizeidienststellen.

Durch umfangreiche Ermittlungs-Maßnahmen sei es gelungen, einen 17-jährigen Deutschen aus Bremen als Tatverdächtigen zu ermitteln. Bereits im November vergangenen Jahres – so wurde jetzt bekanntgegeben – durchsuchten eine Staatsanwältin der "Zentralstelle Cybercrime Bayern" und Beamte des bayerischen Landeskriminalamts mit Unterstützung des LKA Bremen das Zimmer des Jugendlichen in dessen Elternhaus in der Hansestadt. Im Rahmen der Durchsuchung sei zahlreiches EDV-Equipment sichergestellt worden. Die Auswertung dauere noch an. Der 17-Jährige, der bei seiner Vernehmung keinerlei Angaben zum Tatvorwurf gemacht habe, sei nach Abschluss der Maßnahmen an seine Eltern übergeben worden.

Aus ermittlungstaktischen Gründen könne dieser Ermittlungserfolg erst jetzt öffentlich gemacht werden, erklären ZCB und LKA. Dem Jugendlichen werden den Angaben zufolge zum aktuellen Stand des Verfahrens knapp 150 dieser versuchten Erpressungs-Handlungen zur Last gelegt. Bereits im Rahmen der Durchsuchung habe sich zudem der Verdacht zahlreicher betrügerischer Anmietungen von Internet-Servern ergeben, die neben diversen weiteren Straftaten auch zum Versand der erpresserischen E-Mails missbraucht worden sein sollen. Hier sei bei 148 Server-Anmietungen mindestens ein Schaden von etwa 70 000 Euro entstanden, "da regelmäßig falsche oder fremde Zahlungs-Informationen hinterlegt waren".

Das Ermittlungsverfahren wirft ein Schlaglicht auf die Schattenseiten des Internets. In der so genannten Underground-Economy und den dortigen illegalen Online-Marktplätzen werden technisches Know-how, kriminelle Dienstleistungen und riesige Mengen personenbezogener Daten gehandelt, die auch zur Begehung solcher Straftaten genutzt werden können. Wie es heißt, wurde unter anderem ein Internet-Server beschlagnahmt, auf dem erpresserische E-Mails und Phishing-Nachrichten zu Online-Shops und Finanz-Instituten im Baukastenprinzip vorbereitet waren. "Diese hätten mit wenigen Mausklicks automatisiert an mehrere Zehntausend Internetnutzer versendet werden können."

Trotz der intensiv genutzten Methoden der Verschleierung und Anonymisierung sei es den Spezialisten des LKA und der "Zentralstelle Cybercrime Bayern" gelungen, die Spur nach Bremen zu finden. Die erfolgreichen Ermittlungen beweisen nach Ansicht der Ermittler, "dass sich niemand darauf verlassen kann, sein kriminelles Handeln dauerhaft in der Anonymität des Netzes verbergen zu können". Weitergehende Informationen zum Ermittlungsverfahren, insbesondere zur Person des jugendlichen Beschuldigten, könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht werden.

Zum Hintergrund

Seit 1. Januar 2015 besteht bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg die "Zentralstelle Cybercrime Bayern" (ZCB). Sie ist bayernweit zuständig für die Bearbeitung herausgehobener Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität. Sie ermittelt in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Spezialisten der bayerischen Polizei oder des Bundeskriminalamts und mit internationalen Partnern zum Beispiel bei Angriffen auf bedeutende Wirtschaftszweige oder bei Verfahren aus dem Bereich der organisierten Cyberkriminalität. Auch dann, wenn bei Verfahren der Allgemeinkriminalität ein hoher Ermittlungsaufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik abzuarbeiten ist, werden die Staatsanwälte der Zentralstelle tätig.

Die von der ZCB bearbeiteten Fälle sind vielfältig: Sie reichen von Hacker-Angriffen über Fälle des Vorkasse-Betrugs im Internet, zum Beispiel durch professionelle Fake-Shops, und Fälle von "Ransomware" bis hin zum Handel mit Waffen, Drogen und Kinderpornographie im Darknet. Seit dem 1. August vergangenen Jahres ist die "Zentralstelle Cybercrime Bayern" zudem für herausgehobene Fälle der Wirtschafts-Cyberkriminalität zuständig. Derzeit sind 14 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie drei IT-Forensiker bei der ZCB tätig.


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