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Körperliche und psychische Gewalt, sexueller Missbrauch und Stalking. Erster Blick auf Corona-Zeit. LKA verweist auf Hilfsangebote.

(ty) Sie werden missbraucht und geschlagen, ihnen wird nachgestellt und gedroht: Jedes Jahr werden in Bayern Tausende Frauen zum Opfer von Gewalt. Im vergangenen Jahr wurden dem bayerischen Landeskriminalamt (LKA) nach eigenen Angaben 46 586 weibliche Opfer gemeldet, im Jahr zuvor waren es 47 411. Die Frauen wurden demnach aber nicht nur körperlich angegangen: "Sie erlitten auch psychische Gewalt, zum Beispiel durch Erniedrigung. Vieles davon spielte sich in den eigenen vier Wänden ab – meistens wurde der Lebenspartner oder Ehemann zum Täter." Vermutungen, dass die Corona-Krise das Problem häuslicher Gewalt verschärfen könnte, weil zerstrittene Eheleute oder Partner nun viel Zeit gemeinsam zu Hause verbringen, bestätigten sich laut LKA bislang nicht: Die Fallzahlen bei häuslicher Gewalt seien in diesem Jahr "unauffällig und teilweise sogar rückläufig". Abschließend belastbare Zahlen dazu lägen aber noch nicht vor.

 

Weil das Problem anhält, warf das bayerische Landeskriminalamt zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen an diesem Mittwoch, 25. November, ein Schlaglicht auf das Leid vieler Frauen im Freistaat. Einige Beispiele aus der polizeilichen Kriminalstatistik: Im vergangenen Jahr zählte das LKA 3252 Opfer (Vorjahr: 3420) von sexuellem Missbrauch. Bei 2477 Opfern (2640) handelte es sich um Frauen, bei 775 (780) um Männer.

1009 (995) Frauen wurden vergewaltigt, 27 180 Frauen (27 598) wurden Opfer von Körperverletzung. Deutlich weniger Frauen als im Vorjahr wurden im vergangenen Jahr ermordet: Die Zahl sank von 27 auf acht. Das spiegelt sich laut LKA in der Zahl der vollendeten Mordfälle wider – sie sank von 42 auf 23.

"Auffällig oft wurden Frauen Opfer von so genanntem Stalking, also von Nachstellung", teilte das Landeskriminalamt außerdem mit: 1339 Frauen (1347) waren den Angaben zufolge davon im vergangenen Jahr betroffen, demgegenüber standen 269 männliche Opfer (304).

"Bei Fällen von Zwangsheirat, der äußersten Form dauerhafter Anwendung von Gewalt, die bei der Polizei aber nur vereinzelt bekannt wird, waren zuletzt immer Frauen die Opfer", heißt es weiter. Im vergangenen Jahr seien bei der Polizei acht Fälle in Bayern bekannt geworden, im Jahr zuvor seien es vier Fälle geworden.

 

Häusliche Gewalt stellt laut LKA in der Statistik keine eigene Deliktsform dar. Das Landeskriminalamt spricht davon in Fällen, bei denen das Opfer einer Gewalttat mit dem Täter verheiratet oder verlobt ist, es sich um den Lebensgefährten oder den Ex-Partner beziehungsweise Ex-Ehemann handelt. Im vergangenen Jahr gab es nach dieser Definition 16 660 Fälle von häuslicher Gewalt, im Vorjahr waren es 16 943. Im vergangenen Jahr waren 13 081 Opfer weiblich.

Im Corona-Jahr 2020 zeichnet sich hier laut LKA "nach derzeitigen Erkenntnissen keine ungewöhnliche Entwicklung ab". Die Zahlen der angezeigten Taten – also die Hellfeld-Zahlen – könnten aber noch steigen. Denn es sei nicht ungewöhnlich, dass diese Straftaten erst mit längerer zeitlicher Verzögerung bei der Polizei angezeigt werden.

Einen Eindruck vom Gewalt-Erlebnis von Frauen in der Corona-Zeit gebe eine bundesweite Dunkelfeld-Befragung der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Wirtschafts-Forschung. Darin untersuchten die Forscher das Ausmaß häuslicher Gewalt während der ersten Ausgangs-Beschränkungen im Frühjahr dieses Jahres.

Befragt wurden den Angaben zufolge insgesamt 3800 Frauen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren im Zeitraum zwischen dem 22. April und dem 8. Mai. Demnach berichteten 3,1 Prozent (Bayern: 2,3 Prozent) der befragten Frauen von körperlichen Auseinandersetzungen mit ihrem (Ehe-)Partner innerhalb des vergangenen Monats.

 

Weiter heißt es zu dieser Untersuchung: In 6,5 Prozent (Bayern: 5,5 Prozent) der befragten Haushalte gab es körperliche Bestrafungen der Kinder. 3,8 Prozent (Bayern: 3,8 Prozent) der Frauen fühlten sich von ihrem (Ehe-)Partner bedroht, 2,2 Prozent (Bayern: 2,9 Prozent) durften ihr Haus nicht ohne Erlaubnis des (Ehe-)Partners verlassen.

Und, noch eine Erkenntnis: Bei 4,6 Prozent (in Bayern: 4 Prozent) der Frauen regulierte der (Ehe-)Partner die sozialen Kontakte mit anderen Personen. "Wegen fehlender Untersuchungen kann allerdings kein Vergleich zu den Vorjahren und ohne pandemie-bedingte Ausgangs-Beschränkungen gezogen werden", erläutert das Landeskriminalamt.

"Vor allem wenn der Täter unterm selben Dach lebt, trauen sich viele betroffene Frauen nicht, bei der Polizei Anzeige zu erstatten", weiß das LKA. Deswegen gebe es neben dem Hellfeld ein so genanntes Dunkelfeld – Straftaten, von denen die Polizei nie erfährt. Das bayerische Landeskriminalamt ermutigt Frauen, sich Hilfe zu suchen.

 

"Denn niemand muss Gewalt vom eigenen Partner erdulden", wird betont. Dazu gebe es vielfältige Hilfsangebote, zum Beispiel das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen oder die Beratung der Organisation "Weißer Ring". Bei der Polizei gebe es außerdem bei allen Polizeipräsidien die so genannten Beauftragten der Polizei für Kriminalitätsopfer.

Diese "Beauftragten der Polizei für Kriminalitätsopfer" sind den Angaben zufolge Kriminalbeamtinnen, die Frauen unterstützen, die Gewalt erfahren oder erfahren haben. "Die Beauftragten erklären Betroffenen auch, welche Beratungsstellen es gibt, wie ein Strafverfahren abläuft und welche Rechte Gewaltopfer haben, falls diese Anzeige erstatten möchten", erläutert das Landeskriminalamt.

In Fällen extremer Gefährdungslagen habe die bayerische Polizei in den vergangenen Jahren ein Programm entwickelt und umgesetzt, bei dem gefährdete Frauen in ein spezielles Schutzprogramm analog des Zeugenschutz-Programms aufgenommen werden.


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