Erkenntnisse aus Struktur- und Potenzial-Analyse sollen umgesetzt werden, dafür kommt ein zweiter Geschäftsführer. Welche Veränderungen an den Krankenhäusern in Mainburg und Pfaffenhofen geplant sind.
(zel/ty) Es ist die Hoffnung auf den großen, befreienden Wurf: Anhand eines medizinischen "Zukunfts-Konzepts" und durch eine Veränderung in der Geschäftsführung soll die hochdefizitäre Ilmtalklinik-GmbH mit ihren zwei Krankenhäusern in Pfaffenhofen und Mainburg neu aufgestellt werden. Die beiden Standorte sollen dabei, so eine klare Vorgabe, erhalten bleiben. Auf Grundlage einer Struktur- und Potenzial-Analyse der WMC-Healthcare-GmbH sollen operative Prozesse und Strukturen verbessert sowie medizin-strategische Änderungen vorgenommen werden. Das betrifft häuser-übergreifende Weichenstellungen, aber auch die einzelnen Kliniken. Das große Ziel: Runter vom horrenden Defizit aus dem laufenden Betrieb, das für heuer in einer Rekord-Dimension von neun Millionen Euro droht.
Das Minus aus dem operativen Geschäft haben die beiden Gesellschafter der Klinik-GmbH, der Landkreis Pfaffenhofen (85 Prozent) und der Landkreis Kelheim (15 Prozent), alljährlich entsprechend ihrer Anteile zu decken. Wie dramatisch sich die finanzielle Situation entwickelt hat, veranschaulichen die folgenden Zahlen, die unserer Redaktion auf Anfrage aus dem Pfaffenhofener Landratsamt mitgeteilt wurden.
Operatives Jahres-Ergebnis der Ilmtalklinik-GmbH in den vergangenen Jahren:
- 2005: + 500 000 Euro
- 2006: + 65 000 Euro
- 2007: + 95 000 Euro
- 2008: + 170 000 Euro
- 2009: + 430 000 Euro
- 2010: + 252 000 Euro
- 2011: – 480 000 Euro
- 2012: – 1,6 Millionen Euro
- 2013: – 4,0 Millionen Euro
- 2014: – 3,1 Millionen Euro
- 2015: – 5,2 Millionen Euro
- 2016: – 4,8 Millionen Euro
- 2017: – 4,5 Millionen Euro
- 2018: – 4,2 Millionen Euro
- 2019: – 4,9 Millionen Euro
- 2020: – 6,5 Millionen Euro
Damit aber nicht genug: Denn für die Pfaffenhofener Klinik steht bekanntlich eine historische General-Sanierung inklusive baulicher Erweiterung an, die über Jahre verteilt insgesamt mehr als 100 Millionen Euro verschlingen dürfte. Und auch das Mainburger Krankenhaus muss für etliche Millionen Euro ertüchtigt werden. Der Pfaffenhofener Landrat Albert Gürtner (FW), auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Ilmtalklinik-GmbH, hat nach eigenem Bekunden ausgerechnet, dass "die öffentliche Hand", darunter die beiden Landkreise, innerhalb von zehn Jahren rund eine Viertelmilliarde Euro in die beiden Krankenhäuser steckt. Für heuer droht seinen Worten zufolge ein Minus aus dem laufenden Betrieb in einer Größenordnung von neun Millionen Euro – das wäre ein neuer Negativ-Rekord. Dieser Trend soll nun endlich gestoppt werden. Endlich, denn ist ja bekanntlich nicht der erste Versuch dieser Art, der bislang unternommen wurde.
Gelingen soll der "Turnaround" auf Grundlage einer Analyse der WMC-Healthcare-GmbH aus München. Diese Expertise war, so erfuhr man am heutigen Dienstag im öffentlichen Teil einer Sonder-Sitzung des Pfaffenhofener Kreistags, von Klinik-Geschäftsführer Ingo Goldammer angestoßen worden. Im Rahmen dieses Projekts "wurden verschiedene Szenarien evaluiert und gemeinsam mit der Geschäftsführung, Leistungsträgern beider Häuser und den Trägern auf ihre Eignung als Zukunfts-Konzept untersucht", heißt es in gleichlautenden Presse-Mitteilungen aus den Landratsämtern von Pfaffenhofen und Kelheim, die heute Abend veröffentlicht wurden. "Dabei wurde von den Mitgliedern des Aufsichtsrats bereits im Vorfeld vorgegeben, dass beide Standorte erhalten werden sollen." Ganz wesentlich sehe dieses Zukunfts-Konzept "eine Kombination aus operativer Sanierung und Schwerpunkt-Bildung in der stationären Versorgung" vor. "Diese Anpassungen sollen tragfähige Strukturen für die nächsten Jahre ergeben."
"Vor dem Hintergrund hoher Investitionen der beiden Landkreise in die jeweilige bauliche Sanierung der Standorte, sollen diese auch für die kommenden Jahre zukunftssicher und medizinisch bestmöglich aufgestellt sein", heißt es. Am 29. Oktober sei in einer Aufsichtsrat-Sitzung dieses Zukunfts-Konzept verabschiedet worden. Mittlerweile seien im Rahmen von Betriebs-Versammlungen auch die Mitarbeiter an den beiden Klinik-Standorten informiert worden. Heute wurden die beiden Kreistags-Gremien in Kenntnis gesetzt. "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Häuser brauchen endlich Klarheit, wie es an beiden Standorten weitergeht", so der Kelheimer Landrat Martin Neumeyer (CSU). Und: "Auch unsere Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, welche Spezialisierungen und Profile in ihren Krankenhäusern künftig vorherrschen sollen", ergänzt Gürtner.
Künftig zwei Geschäftsführer
In einer weiteren Aufsichtsrat-Sitzung am 3. November war laut heutiger Mitteilung die künftige Aufstellung der Geschäftsführung der Ilmtalklinik-GmbH "zur ordnungsgemäßen Umsetzung" des medizinischen Zukunfts-Konzepts und der umfangreichen Sanierungs-Maßnahmen an beiden Standorten diskutiert worden. Dabei sei man zu dem Empfehlungs-Beschluss gekommen, "dass diese Fülle an Aufgaben für einen Geschäftsführer nicht leistbar ist". Deshalb soll es eine Verstärkung der Geschäftsführung geben. Für die Umsetzung des medizinischen Zukunfts-Konzepts soll, zunächst befristet für zwei Jahre, die HMG-Group in Person von Peter Lenz engagiert werden. Er könne auf langjährige Krankenhaus-Erfahrung zurückblicken. "So war er über 25 Jahre in Häusern der Barmherzigen Brüder tätig, ehe er auch noch Erfahrung in den kommunal geführten Häusern in Garmisch-Partenkirchen und Rosenheim sammeln konnte." Unterstützt werden soll er dabei von Ingo Goldammer, dem derzeitigen Geschäftsführer.
Peter Lenz.
Goldammer kenne das Haus seit mehreren Jahren und habe die bisherige Entwicklung im Bereich der General-Sanierung und Brandschutz-Sanierung maßgebend mitgestaltet. Auch sei er mit dem Ablauf innerhalb der Klinik bestens vertraut. "Sein Fokus soll sich deshalb auch auf diesen Bereich konzentrieren", heißt es weiter. "Es gilt hier in der nächsten Zeit, die Kosten im Rahmen der aktuellen Rohstoff-Entwicklung im Blick zu haben und die baulichen Maßnahmen den medizinischen Abläufen entsprechend zeitgemäß anzupassen." Erschwerend komme hinzu, dass an beiden Standorten zeitgleich kostenintensive Maßnahmen stattfänden, welche die medizinischen Abläufe mehr oder minder stark beeinflussten. "Es braucht deshalb dringende Fach-Expertise, wie medizinische Prozesse während der Bauphasen abgebildet werden können." So wird Goldammers Auftrag dargestellt.
Lenz kommt also, Goldammer bleibt. "Die Struktur der Doppel-Geschäftsführung hatte sich bereits in den Jahren 2018 und 2019 bewährt, in denen Herr Goldammer die Geschicke der Klinik noch zusammen mit Christian Degen leitete", erklärt das Pfaffenhofener Landratsamt. Der Kreistag von Pfaffenhofen sei in seiner heutigen Sitzung dem Empfehlungs-Beschluss des Klinik-Aufsichtsrats gefolgt, sodass Lenz nunmehr ebenfalls zum Geschäftsführer der Klinik-GmbH bestellt werden könne.
Ingo Goldammer (links) und Christian Degen.
Degen, zuvor Kreisrechnungsprüfer am Landratsamt von Pfaffenhofen, war nach seiner Zeit als Co-Geschäftsführer der Klinik-Gesellschaft auf Wunsch des damaligen Landrats Martin Wolf (CSU) an die Landkreis-Behörde zurückgekehrt. Er ist aktuell dort Pressesprecher, leitet das Büro des Landrats und kümmert sich um das Beteiligungs-Management des Kreises. Anfang des Jahres war beschlossen worden, dass er – zur Unterstützung der Geschäftsführung – ab April und bis Ende dieses Jahres für zwei Tage pro Woche an die Klinik zurückkehrt.
Für seinen Einsatz an der Klinik erhielt Degen heute in der Sitzung des Pfaffenhofener Kreistags ausdrückliches Lob und sogar Applaus. Sein Zusatz-Engagement für die beiden Krankenhäuser läuft demnächst aus. Künftig soll Goldammer als Geschäftsführer für die Bau- und Sanierungs-Maßnahmen verantwortlich sein – und Lenz Geschäftsführer für das operative Geschäft und die Umsetzung des medizinischen Zukunfts-Konzepts an den beiden Häusern.
"Ambulanter Fußabdruck"
Medizin-strategisch seien auch standort-übergreifend wichtige Eckpunkte festgelegt worden, fassten die Landratsämter von Pfaffenhofen und Kelheim zu dem Zukunfts-Konzept zusammen. So solle "in engem Austausch mit der Kreisärzteschaft der ambulante Fußabdruck der Ilmtalklinik-GmbH manifestiert werden". Zudem solle die Zusammenarbeit mit einweisenden Ärzten und Rettungsdiensten intensiviert werden, um die Aufnahme-Bereitschaft beider Kliniken durchgängig sicherstellen zu können. Beste Voraussetzungen zur Steuerung von Patienten-Strömen seien in der Vergangenheit bereits durch die Etablierung der KV-Bereitschafts-Praxen an beiden Standorten geschaffen worden. Insgesamt solle ein engmaschiger Austausch über beide Standorte forciert werden und dabei die Nutzung neuer Technologien im Vordergrund stehen.
Pläne für Mainburg
"Neben den häuser-übergreifenden Faktoren wurden auch Standort-Faktoren für die jeweiligen Häuser festgelegt", heißt es weiter. "Diese sollen in den kommenden Wochen zusammen mit den Leistungsträgern konkretisiert und umgesetzt werden." Der Standort Mainburg solle gestärkt werden, um eine wohnortnahe stationäre Versorgung für die nächsten Jahre sicherzustellen. "Mir ist bewusst, dass wir uns hier durchaus im Gegensatz zu bundes- und landespolitischen Entwicklungen positionieren, welche kleinere Krankenhäuser aus der Versorgung drängen wollen", so der Kelheimer Landrat Neumeyer. "Aber wir haben motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die unserer Bevölkerung eine optimale Versorgung bieten können, weshalb wir diesen Weg gehen."
Neu am Standort Mainburg könnte – so wurde heute dargelegt – eine Geriatrie etabliert werden, die es ermögliche, einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung wohnortnahe Versorgung und die (Wieder-)Herstellung eines selbstbestimmten Alltags-Lebens zu bieten. Unverändert erhalten bleiben soll die Chirurgie mit den Schwerpunkten Adipositas-Chirurgie und Unfall-Chirurgie mit dem Endoprothetik-Zentrum (EPZ). Hierbei solle erreicht werden, dass ausreichend OP-Kapazität, vor allem in der Vorhaltung von Anästhesie-Personal während der Regeldienst-Zeiten, zur Verfügung stehe, sodass die leistungsfähigen Abteilungen optimal arbeiten könnten.
In der Inneren Medizin könnten sich Änderungen ergeben. Wie es heißt, sollte der gastro-enterologische Schwerpunkt auf Grund der medizinischen Nähe zur Adipositas-Chirurgie künftig in Mainburg liegen. "Damit ließen sich interdisziplinäre Bauch-Zentrums-Strukturen etablieren und würden eine noch höherwertige Versorgung erlauben." Daneben solle auch weiterhin eine kardiologische Funktions-Diagnostik und Expertise in der Kardiologie in den Regelarbeitszeiten vorgehalten werden. Das sei wegen der Notaufnahme und im Sinne aller Fachabteilungen sinnvoll. So könnten auch weiter Herz-Ultraschall-Untersuchungen und Konsile durchgeführt werden. "Invasive Diagnostik, zum Beispiel Herzkatheter-Untersuchungen wären im Zielbild dagegen mittelfristig nicht mehr vorgesehen, da diese nach Pfaffenhofen verlagert werden sollten."
Eine durchgängige Notfall-Versorgung sei für den Standort Mainburg auch weiterhin von zentraler Bedeutung. Aktuell kämpfe die Klinik mit höchster Priorität für den Erhalt der so genannten Notfall-Stufe I, "die aufgrund rein formaler Anforderungen in Frage gestellt wurde". Änderungen für die Bürger "sind hiermit jedoch derzeit ausdrücklich nicht verbunden", wurde heute erklärt. "Die Notfall-Stufe I hat hierbei lediglich finanzielle Auswirkungen für die Ilmtalklinik-GmbH, die Versorgung ist weiterhin im gewohnten Umfang gewährleistet." Auch die ambulante BG-Versorgung stelle einen wichtigen Baustein in der Notfall-Versorgung der Mainburger Bevölkerung dar und diene der Absicherung der Betriebe. Auch diese Leistung könne weiterhin umfassend angeboten werden.
Neumeyer zeigt sich mit der anvisierten Ausrichtung zufrieden: "Selbstverständlich will man seinen Bürgern immer ein Rundum-Sorglos-Paket anbieten, welches aber in Zeiten der Krankenhaus-Reformen leider nicht mehr vollumfänglich möglich ist. Wir werden jedoch das Angebot so stark und nachhaltig wie irgendwie möglich ausgestalten." Deswegen sei er sehr froh, dass das Krankenhaus weiterhin rund um die Uhr für die Bevölkerung offenstehe und die Betriebe des Landkreises weiterhin von der ambulanten BG-Versorgung profitieren könnten. "Selbst ein Verlust der Notfall-Stufe I, welcher lediglich finanzielle Auswirkungen auf die Versorgung hätte, könnte damit aufgefangen werden", so der Kelheimer Landkreis-Chef. "Die Erweiterung des Angebots um eine Geriatrie wäre mehr als zeitgemäß und der gastro-enterologische Schwerpunkt am Standort ließe uns sogar auf die Etablierung eines Bauch-Zentrums hoffen."
Pläne für Pfaffenhofen
Auch für den Standort Pfaffenhofen sieht das Zukunfts-Programm etliche Eckpunkte vor. "Bereits heute bietet der Standort aufgrund der vorhandenen Fachabteilungen und Strukturen optimale Voraussetzungen, um die Notfall-Versorgung als wichtigen Wachstumsmarkt der nächsten Jahre zu stärken", heißt es aus dem Landratsamt. Dieser Standort-Vorteil solle genutzt werden, um einen noch größeren Markt zu etablieren. Christian Bayer von der WMC-Healthcare-GmbH stellte heute bei der Konzept-Präsentation im Kreistag in Aussicht, dass die Pfaffenhofener Notaufnahme eine der leistungsfähigsten in der Region werden könnte.
Die Schärfung der Inneren Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie soll – so fasste das Landratsamt weiter zusammen – eine Fokussierung auf invasive Diagnostik (Herzkatheter und Schrittmacher) auf den Standort Pfaffenhofen ermöglichen und die explizite Notfall-Ausrichtung unterstützen. "Ergänzend hierzu verbleiben gastro-enterologische und geriatrische Expertise am Standort, zum Beispiel Endoskopie-Notfall-Bereitschaft und geriatrisches Assessment für die optimale Versorgung der älter werdenden Bevölkerung." Dazu sollen gastro-enterologisch-endoskopische Interventionen, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit intensiv-medizinischer Betreuung bedürften, in Pfaffenhofen durchgeführt werden.
Die operativen Fachabteilungen sollen in ihrer Leistungsfähigkeit gestärkt werden. Dadurch ergebe sich mit den entsprechenden Schwerpunkten der operativen Abteilungen die Möglichkeit zur Zentren-Bildung – zum Beispiel: Darm-Zentrum. Und: "Die Versorgung der stationären BG-Fälle könnte in Pfaffenhofen abgedeckt und für die beiden Standorte gebündelt werden", erklärt das Landratsamt weiter. Geburtshilfe und Gynäkologie seien relevante Themen für die umfassende Versorgung der Bevölkerung "und werden selbstverständlich auf gewohntem Niveau fortgeführt", so das Versprechen. Auch die Neurologie stelle weiterhin eine wichtige Säule der Notfall- und Elektiv-Versorgung dar.
Der Pfaffenhofener Landrat Gürtner kommentiert per Presse-Mitteilung: "Es freut mich, dass das Potenzial unserer beiden Häuser erkannt und auch so bestätigt wurde." Mit den angedachten Anpassungen sei man für die Zukunft bestens gerüstet und könne sich dem Wettbewerb stellen. "Nunmehr liegt es an den politisch Verantwortlichen und der Geschäftsführung, die Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umzusetzen. Ein entsprechender Zeitplan soll binnen der nächsten Wochen vorgelegt werden."
Gürtner und Neumeyer lassen sich im Gleichlaut wie folgt zitieren: "Die partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit über Landkreis-Grenzen hinweg hat es uns ermöglicht, ein zukunftsfähiges Szenario zu finden, welches den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klinik Planungs-Sicherheit und den Bürgerinnen und Bürgern Versorgungs-Sicherheit bietet."