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Wird der Fall Woedl zum Bumerang? Nach dem Rauswurf des früheren Ilmtalklinik-Chefs hat sich der Landkreis mit ihm auf einen 190 000 Euro teuren Vergleich verständigt, um den Gang vor Gericht zu vermeiden. Just jetzt, da dieser Vergleich rechtskräftig ist, wurde bekannt: Die Staatsanwaltschaft interessiert sich für den Fall, hat Vorermittlungen eingeleitet

Von Tobias Zell

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Am Freitag wurde offenbar, dass die Staatsanwaltschaft Ingolstadt Vorermittlungen gegen den früheren Ilmtalklinik-Geschäftsführer Marco Woedl eingeleitet hat – sollten diese aus Sicht der Justizbehörde erfolgreich verlaufen, ergäbe sich daraus der Anfangsverdacht der Untreue. Praktisch zeitgleich wurde bekannt, dass der Vergleich, den die Klinik-GmbH – und damit der Landkreis als Gesellschafter – mit dem fristlos gekündigten einstigen Krankenhaus-Boss geschlossen hat, nun rechtskräftig ist. Während also auf zivilrechtlichem Wege die Akte Woedl durch eine Zahlung von rund 200 000 Euro an ihn geschlossen ist, hat die Staatsanwaltschaft die Akte Woedl gerade erst angelegt.

Das wirft Fragen auf. Zumal, wenn man weiß, dass die Staatsanwaltschaft diese Vorermittlungen bereits vor über einem Monat in Angriff genommen hat, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter gegenüber unserer Zeitung erklärt. Hätte der Landkreis früher davon erfahren, hätte man möglicherweise den Vergleich noch gestoppt. Denn sollte es tatsächlich strafrechtlich relevante Verfehlungen Woedls gegeben haben – es gilt natürlich die Unschuldsvermutung –, wäre die fristlose Kündigung wohl gerechtfertigt gewesen.

Hinter vorgehaltener Hand spielt der eine oder andere Kreispolitiker angesichts dieser neuen Entwicklung schon den „worst case“ durch: Sollten die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft Handfestes ergeben, stünde man als Kreistags-Gremium womöglich ganz schön dumm da. Denn dann hätte man schlimmstenfalls die 200 000 Euro an Steuergeldern zum Fenster rausgeschmissen, die man Woedl als Abfindung überwiesen hat.

"Heikle Geschichte"

Die zehn Kreisräte, die Anfang September gegen den Vergleich und für den Gang vor Gericht votiert hatten, dürften sich nun bestätigt sehen. Und auch so mancher, der damals für die Zahlung der Abfindung die Hand hob, sieht das inzwischen skeptischer. Der Dritte Landrat Josef Finkenzeller sagte zum Beispiel gestern bei der Kreisversammlung seiner Freien Wähler klipp und klar: „Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich der Abfindung nicht zugestimmt.“ Er spricht von einer „heiklen Geschichte“.

Anfang September hatte der Kreistag nach Wochen voller Spekulationen, Unsicherheiten und offener Fragen in einer nicht-öffentlichen Sondersitzung beschlossen: Im Fall des geschassten ehemaligen Ilmtalklinik-Geschäftsführers soll es eine außergerichtliche Lösung geben und eben keinen Prozess vor dem Arbeitsgericht. Mitte Dezember 2013 war Woedl fristlos entlassen worden, weil man damals überzeugt davon war, triftige Gründe für diesen Schritt zu haben. Vor allem aus dem umfangreichen Bericht nach einer Sonderprüfung des "Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands" (BKPV) glaubte man, stichhaltige Argumente für den Rauswurf ziehen zu können. Doch ein paar Monate später war man sich da dann gar nicht mehr so sicher – und entschied sich letztlich dafür, Woedl lieber freiwillig eine satte Abfindung zu überweisen und sich dafür den Gang vor Gericht mit unsicherem Ausgang zu sparen.

Der Beschluss für die Vergleichsvereinbarung fiel damals mit 42:10 Stimmen relativ deutlich und war vor allem geprägt von dem Gedanken, das leidige Thema endlich vom Tisch zu bekommen, sowie beseelt von dem Glauben, damit Ruhe für die Klinik zu bekommen. Entschieden wurde „nach intensiver Abwägung der für das weitere Vorgehen maßgeblichen Gesichtspunkte“, hieß es in einer Pressemitteilung. 

Damit schien der Fall Woedl vom Tisch. Ruhe wollte man jetzt und sich auf die Zukunft unter dem neuen Klinik-Geschäftsführer Marcel John konzentrieren, der die GmbH aus den tiefroten Zahlen und in sicheres Fahrwasser bringen soll. Und während John sich eifrig daran macht, die Klinik umzustrukturieren, und auch Lob von vielen Seiten bekommt, holt den Landkreis der Fall Woedl möglicherweise noch einmal ein. Denn jetzt interessiert sich die Staatsanwaltschaft für das Treiben des geschassten Klinik-Geschäftsführers, der bekanntlich längst in Lindenlohe bei Schwandorf eine neue Stelle angetreten hat.

Kompetenzen überschritten?

Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat ein Vorermittlungsverfahren gegen Woedl eingeleitet – das könnte in einen Anfangsverdacht auf Untreue münden. Dann würde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit Geschäftsvorgänge und untersucht dabei auch, ob Woedl seine Kompetenzen als Geschäftsführer der Ilmtalklinik-GmbH zum Nachteil des Klinik-Trägers überschritten hat, erklärt der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter.

In Zusammenhang mit diesen Vorermittlungen dürften unter anderem zwei Vorgänge stehen, die in dem genannten BKPV-Sonderprüfungsbericht Niederschlag fanden, der freilich auch der Staatsanwaltschaft vorliegt.

Fall eins: Am 14. Juli 2011 wurde mit einer Firma die Vereinbarung über die Überlassung von Räumlichkeiten in der Ilmtalklinik geschlossen; es ging um den Betrieb eines Sanitätshauses. Der Vertrag wurde, so der BKPV, vom damaligen Landrat Anton Westner (CSU) unterschrieben – allerdings habe der vor Unterzeichnung handschriftlich die Regelung gestrichen, wonach der Mieter im ersten Jahr von der Miete befreit wäre. Vier Tage später wurde dann aber eine Nebenabrede zwischen Woedl und der besagten Firma vereinbart, die wiederum die Befreiung von der Miete für zwölf Monate vorsah. „Nach den uns erteilten Auskünften war der Landrat darüber nicht informiert“, schreibt der Prüfungsverband und stellt klar: „In der fehlenden Genehmigung über diese wesentliche Grundlage des Vertragsverhältnisses sehen wir einen Verstoß gegen den Pacht- und Überlassungsvertrag.“ Die Befreiung von der Miete für ein Jahr habe zu einem Ertragsausfall von rund 13 000 Euro geführt. 

Fall zwei: An einen in München niedergelassenen Arzt wurden im Rahmen dessen konsiliarärztlicher Tätigkeit unter Woedls Amtszeit Fahrkostenerstattungen von rund 20 000 Euro ausbezahlt – obwohl laut BKPV die mit dem Arzt getroffenen Vereinbarungen gar keine derartige Regelung enthielten beziehungsweise diese sogar ausschlossen.

Erfahren hat der Landkreis von den Vorermittlungen gegen Woedl dieser Tage per Schreiben der Staatsanwaltschaft. Bekannt wurde das am Freitag, als Landrat Martin Wolf (CSU) die Fraktionsspitzen des Kreistags bei der Klausurtagung in Beilngries über diese aktuelle Entwicklung informierte. Zugleich erreichte Wolf  & Co. am Freitag eine Nachricht des den Landkreis vertretenden Anwalts, wonach der mit Woedl angestrebte Vergleich jetzt rechtskräftig sei.

Zu spät?

Nun ist dieser zeitliche Zusammenfall wohl purer Zufall – der aber natürlich eine gewisse Brisanz in sich birgt. Die Frag, die sich unweigerlich stellt: Hätte man die Vergleichsbemühungen gestoppt, wenn man früher gewusst hätte, dass die Staatsanwaltschaft sich für den Fall Woedl interessiert? „Möglicherweise hätte man das zumindest noch einmal in Erwägung gezogen“, räumt Landrat Wolf gegenüber unserer Zeitung ein.

Jedenfalls war Wolf sichtlich bemüht, den genauen zeitlichen Ablauf klarzustellen. Und zwar so bemüht, dass er seinen Büroleiter Karl Huber sogar am Sonntag eine Presseerklärung verschicken ließ. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft, in dem über die Aufnahme der Vorermittlungen gegen Woedl informiert wird, ging demnach nicht erst am besagten Freitag, 7. November, im Landratsamt ein, sondern laut Eingangsstempel bereits am Mittwoch. Der Brief sei dann in der Landratspost am Donnerstag abgezeichnet worden – und Wolf habe am Freitagvormittag das Rechtsanwaltsbüro beauftragt, eine Bewertung vorzunehmen.

Über diese Entwicklung habe Wolf am Freitag um 15 Uhr – zu Beginn der zweitägigen Klausurtagung der Kreistags-Fraktionssprecher – berichtet. Etwa eine Stunde später habe das den Landkreis beratende Rechtsanwaltsbüro dann telefonisch mitgeteilt, dass der zivilrechtliche Vergleich zwischen Woedl und der Klinik GmbH vom Landgericht Ingolstadt angenommen sei. Diesen zeitlichen Ablauf will man von Seiten des Landratsamts klargestellt wissen. „Um Spekulationen vorzubeugen, legt Landrat Martin Wolf Wert auf die absolute Transparenz der Abläufe“, so Huber.

Aber hätte der Landkreis den Vergleich mit Woedl überhaupt noch stoppen können? Das sei noch unklar, sagte Wolf. Denn beide Seiten hätten ja bereits entsprechende Erklärungen abgegeben gehabt. Der Landrat versichert jedenfalls, man habe erst durch den Brief der Staatsanwaltschaft von den Vorermittlungen erfahren. Dass die Justizbehörde diese schon vor über vier Wochen eingeleitet hatte, habe man nicht gewusst.

Hinweis an die Staatsanwaltschaft

Tätig geworden ist die Staatsanwaltschaft übrigens nach einem Hinweis eines Dritten, wie Behördenleiter Walter heute auf Anfrage erklärt. Es sei aber keine Anzeige erstattet worden. Vom Landkreis kam dieser Hinweis wohl nicht; denn laut Wolf war klar, dass man mit Blick auf den sich abzeichnenden Vergleich kein Strafverfahren mehr anstrengt. Zudem verweist der Landrat darauf, dass man den Fall Woedl vor der Entscheidung im Kreistag auch in strafrechtlicher Hinsicht von einem Anwalt habe prüfen lassen. Der Jurist kam aber in seinem Gutachten vom Januar dieses Jahres, das unserer Zeitung vorliegt, zu der Einschätzung: „Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Herrn Woedl ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nachzuweisen.“

„Wir hatten abzuwägen“, erinnert Wolf an die Entscheidung im Kreistag. Und dabei habe man auch mögliche strafrechtliche Aspekte berücksichtigt, will er betont wissen. Das Ergebnis ist bekannt. Man entschied sich mit großer Mehrheit für den Vergleich. Wäre der nicht zustande gekommen, hätten sich beide Seiten vor Gericht getroffen. Und zwar in fünf verschiedenen Verfahren, wie Wolf jetzt offenbart.

Zivilrechtlich ist der Fall Woedl mit dem Vergleich, der ja nun rechtskräftig ist, höchstwahrscheinlich erledigt. Wenngleich Wolf einschränkt: „Der Vergleich bezieht natürlich nur auf das, was bisher bekannt ist.“ Was strafrechtlich herauskommt, werden die Nachforschungen der Staatsanwaltschaft zeigen. Dann wird man auch wissen, ob der Fall Woedl für den Landkreis tatsächlich zum Bumerang wird.

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