Unter dem Motto "Zeit für die Mutigen" formiert sich in der Region Widerstand gegen die SPD-Führung: "Wir müssen selbst die Alternative sein, die wir fordern", heißt es da – die Tragweite ist noch nicht absehbar
Von Tobias Zell
Die Basis der SPD war offenbar schon einmal deutlich zufriedener mit dem, was die Parteiführung so treibt. Aus dem Herzen Bayerns, in Pfaffenhofen und Abensberg, formiert sich nun organisierter Widerstand gegen die Oberen – welche Dynamik das entfalten könnte, ist noch nicht abzusehen. Jedenfalls haben sich einige namhafte Sozis aus der Region zusammengetan, um unter dem Motto „Zeit für die Mutigen“ und im Rahmen einer Basis-Initiative für ein Umdenken an der Parteispitze zu streiten. Ihr Auftakt-Slogan lautet „Rammbock“ und scheint keineswegs ungehört zu bleiben, wie erste Reaktionen vermuten lassen.
Die Urheber der Initiative beklagen eine SPD, „bei der an die Stelle der politischen Ideale und Visionen der faule Konsens der Alternativlosigkeit getreten ist“. Sie beklagen eine SPD, „deren Führungsriege politisch gezähmt und orientierungslos weder Programm noch Personal als grundlegende Alternative zur Politik der Konservativen bietet“. Und sie beklagen eine SPD, „deren Funktionäre unsere ,Grundwerte’ zur politischen Verhandlungsmasse machen“. So steht es auf der Homepage andiemutigen.de, die eigens eingerichtet wurde – ebenso wie ein Facebook-Profil. „Genossinnen und Genossen“, lautet der Appell, „so können und dürfen wir nicht weitermachen.“ Und: „Wir müssen selbst die Alternative sein, die wir fordern.“
Die Strippenzieher des Aufstands an der Basis sind keine Unbekannten in der Region. Thomas Schug ist Richter am Amtsgericht Kelheim, Vorsitzender des Abensberger SPD-Ortsvereins, Abensberger Stadtrat und Kelheimer Kreisrat. Markus Käser ist Chef der SPD im Kreis Pfaffenhofen, Vorsitzender des Pfaffenhofener Ortsverbands sowie Stadt- und Kreisrat. Außerdem Walter Adam (71) aus Abensberg, der zuletzt bundesweit für Schlagzeilen sorgte, als er bei der Wahl um den Vorsitz der bayerischen SPD gegen Florian Pronold antrat und aus dem Stand beachtliche 31,7 Prozent der Stimmen erhielt. Und dann ist da noch Konstantin Ferstl, ebenfalls SPD-Mitglied aus Abensberg, ein freiberuflicher Filmemacher.
Ferstl hat auch das Video zum Start der Initiative gemacht, das nach Angaben von Käser bis heute, 13 Uhr, bereits 7000 Mal angeschaut worden ist. Am Ende dieses Spots zeigen sich zahlreiche Sozialdemokraten, die sich hinter die Aktion stellen – darunter weitere bekannte Namen wie Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker oder Schauspieler Florian Simbeck.
"Aktion Rammbock läuft gewaltig an"
Die Aktion „Rammbock“ laufe „gewaltig“ an, sagt Käser. Im Minutentakt gingen Newsletter-Anmeldungen ein. „Viele gratulieren uns zur Aktion und wollen mithelfen. Erste Kreis- und Ortsverbände melden sich und möchten selbst Veranstaltungen organisieren.“ Dass die Initiative jetzt startet, ist indes kein Zufall: Von heute bis Samstag findet in Berlin der Bundesparteitag der SPD statt.
Walter Adam habe mit seiner Kandidatur für den bayerischen Landesvorsitz der Partei „ein deutliches Zeichen gegen die lähmende Alternativlosigkeit in der SPD gesetzt und eine Bresche für die Basis geschlagen“, erklären die Sprecher der Initiative. Das Wahlergebnis habe gezeigt: Mehr als ein Drittel der anwesenden Delegierten wolle eine grundsätzliche Veränderung. „Und wir sind uns sicher: An der Mitgliederbasis unserer Partei sind das noch viele mehr.“ Die SPD-Basis solle „endlich die innere Emigration verlassen und ihre Stimme wieder finden“. Deshalb habe man nun gemeinsam mit Adam die Initiative „Zeit für die Mutigen“ gegründet und ein „Manifest“ mit grundsätzlichen Inhalten erarbeitet.
„Ich bin seit 46 Jahren Mitglied dieser Partei“, betont Walter Adam. „Ich kämpfe für die Grundwerte der Sozialdemokratie. Ich möchte, dass die Partei sich wieder darauf besinnt, woher sie kommt“, sagt er. „Wachrütteln“ wolle er seine Partei. Deshalb sei er bei der Initiative dabei.
"Rote Linie überschritten"
„Wir sind eine Mitgliederpartei – aber offenbar hat unsere Parteispitze den Konsens mit ihrer Basis aufgekündigt“, kritisiert Käser im Gespräch mit unserer Zeitung. Er ist mächtig angefressen. Vorstand und Fraktion haben aus seiner Sicht mit ihrer Zustimmung zur Vorratsdatenspeicherung eine rote Linie überschritten. „Elf von 16 Landesverbänden hatten dazu gegenteilige Beschlüsse gefasst“, erinnert er. So könne man doch die Meinung der Mitglieder nicht ignorieren.
Auch das Freihandelsabkommen TTIP ist für den Pfaffenhofener Kreisvorsitzenden – selbst in der neuen aktuellen Fassung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel – nicht vertretbar. „Die Mehrheit der Basis ist dagegen“, proklamiert: „Und im Bereich Energiepolitik betreibt die SPD in erster Linie Konzernpolitik ohne Rücksicht auf die Bürgerenergie-Bewegungen und auf Kosten der regionalen Wertschöpfung.“
Für Käser geht es ums Ganze: „Mir stellt sich die Frage, wie ich auf dieser Basis im Bundestagswahlkampf 2017 aktiv werden soll?“ Er wolle sich für eine echte sozialdemokratische Politik einsetzen. „Die Union gibt es schon. Unsere Partei ist mehr als nur der soziale Flügel der Konservativen.“ Deshalb unterstütze er die Basis-Initiative. „Wir dürfen nicht länger auf Einsicht von oben warten.“
"Nicht zum Erfüllungsgehilfen der Regierungsarbeit degradieren lassen"
Er sei damals der SPD beigetreten, um für die Grundwerte der Sozialdemokratie zu kämpfen, sagt Schug. Doch die „werden von der Parteispitze für das bloße Mitmachen geopfert“, kritisiert er. „Eine politische Haltung der SPD in der Friedenspolitik, der Flüchtlingspolitik und bei sozialpolitischen Themen ist für mich nicht erkennbar.“ Er setzte sich „für eine echte politische Alternative zur Politik der Konservativen“ ein. „Die SPD-Basis darf sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der Regierungsarbeit degradieren lassen.“
Die große Zeit der Sozialdemokratie kenne er leider nur aus Geschichtsbüchern, sagt Konstantin Ferstl. „Ich engagiere mich trotzdem, weil ich die permanente Diffamierung von Idealen und durch abgebrühte Zyniker leid bin. Wir brauchen eine klare Haltung. Nicht nur Willy-Brandt-Folklore im Vier-Jahres-Rhythmus.“
Wie es nun weitergehen soll, erklärt Käser so: „Zunächst werben wir um Unterstützung für unsere Basis-Initiative und wollen die Kursänderung unserer Partei diskutieren – ob als Sympathisant der Sozialdemokratie, einfaches Parteimitglied oder SPD-Funktionär.“ Nur gemeinsam könne man die Richtung der Partei verändern. Jeder könne hier etwas beitragen. Im kommenden Frühjahr seien erste, offizielle Treffen geplant. „In diesem Rahmen sollen dann auch erste personelle Alternativen diskutiert werden.“