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Zwischen Betonbunker, Hobbit-Hügel und Goethes Gartenhaus: Stadtrat verwirft alle drei Vorschläge zum Neubau der Arlmühle

Von Tobias Zell

Es ist ein beliebter Gag, den man sich in Pfaffenhofen immer wieder mal gönnt: Wussten Sie, dass Johann Wolfgang von Goethe ein Gartenhaus an der Ilm hatte? Ui, denkt man, und wird gleich neugierig. Doch die Auflösung ist weniger prickelnd. Goethe besaß zwar tatsächlich ein Gartenhaus an der Ilm – allerdings in Weimar. Anno 1776 ersteigerte er es samt Garten, bis 1782 sollte es sein bevorzugter Wohn- und Arbeitsort sein. Ein Großteil seiner literarischen Werke dieser Zeit entstanden dort, die Ballade vom Erlkönig zum Beispiel oder das Gedicht „An den Mond“. 

Warum wir Ihnen das erzählen? Weil Goethes Gartenhaus gestern den Pfaffenhofener Stadtrat beschäftigt hat. Es geht um die alte Arlmühle, die bekanntlich mit einem Wasserrad versehen werden soll. Das bringt ein bisschen Strom, ist gut fürs grüne Image und auch nett für die Gartenschau. Allerdings ist das bestehende Häuschen zu klein, weshalb es ersetzt werden muss. Weil die Arlmühle aber im Herzen des künftigen Bürgerparks liegt, der im Zuge der Landesgartenschau 2017 entstehen soll, ist bei der Gestaltung dieses kleinen Neubaus zum einen Kreativität und zum anderen Sensibilität gefragt. Und jetzt zu Goethe, der bereits wusste: "Es irrt der Mensch, so lang er strebt."

Zur Einführung: Das bestehende Gebäude kommt weg, links soll ein Wasserrad errichtet werden. Unser Foto entstand bei der Eröffnung der Fischtreppe. 

Dem Stadtrat wurden gestern Abend drei Vorschläge präsentiert, die ein beauftragtes Büro erarbeitet hatte. Wir vereinfachen mal etwas. Variante A ist ein Betonbunker. Variante B ein Erdhügel. Und Variante C, ebenfalls aus Beton, lehnt sich optisch an Goethes Gartenhaus zu Weimar an. „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“, lässt Goethe im „Vorspiel auf dem Theater“ (Faust I) den Direktor sagen. Allerdings ein paar Zeilen später auch: „Das Publikum wird es Euch doch zerpflücken.“

In der Tat. Denn das Ratsgremium wollte sich am Ende für keinen der Vorschläge begeistern und erteilte allen dreien eine Abfuhr. Da hatte es auch nichts geholfen, das Bürgermeister Thomas Herker (SPD) noch für Goethes Gartenhaus geworben hatte.  Eine Arbeitsgruppe soll sich nun mit der Frage nach der Gestaltung des Bauwerks befassen – denn die Zeit drängt auch ein bisschen. 

Heimatforscher Reinhard Haiplik (ÖPD) fand es schade, dass das bestehende Häuschen nicht bleiben kann. Ja, der alte Nostalgiker, hätte vermutlich der eine oder andere gedacht –  doch angesichts der drei offensichtlich nicht sonderlich überzeugenden Vorschläge für den Neubau mochte man sein Streben nach Bewahrung in diesem Fall so gut verstehen wie vielleicht niemals wieder. Variante A „erschreckt mich“, ließ der Pädagoge wissen und die Debatte war damit eröffnet. 

Hans Bergmeister (CSU) bezeichnete alle drei Vorschläge als „nicht besonders toll“. Das mit dem Beton wollte Sandra Lob (SPD) gar nicht einleuchten. Überall tue man heutzutage Beton weg und hier nun ausgerechnet hin. „Sowas Gräusliges geht gar nicht“, attestierte sie der Variante A und sprach von einer „Beton-Schuhschachtel“. Aber auch für B und C hatte Lob kein Lob. „Das ist alles nicht schön.“ 

Vorschlag A: "Archetyp Haus", gerne auch als "Betonbunker" bezeichnet.

Barbara Breher (CSU) verglich Variante B mit einem „Hobbit-Hügel“ und regte an, diesen Vorschlag schon mal auszuschließen. Sie sei aber auch kein „Beton-Verfechter“. Ob sich dem Besucher die Anspielung auf Goethe und die Ilm und Weimar und das Gartenhaus erschließe, bezweifelte sie. Das werde immer erklärungsbedürftig sein. Wichtig seien doch die Konzentration auf das Wasserrad und der Blick auf die Technik. 

Manfred „Mensch“ Mayer (GfG) kann mit allen drei Vorschlägen wenig anfangen – „aber A geht gar nicht“. Es sei schließlich „eine Gartenschau und keine Betonschau“. Als städtischer Referent für Grünanlagen ist er am ehesten noch für den Hügel.

Schriftsteller Steffen Kopetzky (SPD) befand, es spreche erst einmal nichts gegen Beton. Da gebe es tolle Beispiele. Die Idee mit Goethes Gartenhaus sei reizvoll und wäre ein kleines Schlaglicht, meinte er. 

Andreas Herschmann (SPD) war dagegen der Meinung: Beton bei „Natur in der Stadt“, das „kommt überhaupt nicht in Frage“. Er dachte stattdessen laut über ein Gebäude nach, das einer alten Mühle nachempfunden ist. 

„Ich glaub, ich bin im falschen Film“, entfuhr es Altbürgermeister Hans Prechter (CSU) angesichts der entbrannten Gestaltungs-Diskussion. „Schmeißt die drei Entwürfe alle weg“, forderte er. Man brauche hier ein kleines, untergeordnetes Funktionsgebäude, keinen „Kobel“.

Vorschlag B: "Grüne Welle", man kann auch sagen: Erdhügel.

Richard Fischer (ÖDP) sprach sich klar gegen Variante A aus: „Bunker geht gar nicht“, sagte er und bescheinigte diesem Vorschlag das Flair des Zweiten Weltkriegs. Goethes Gartenhaus überzeugte den Gymnasiallehrer auch nicht wirklich. Immerhin: Der Hobbit-Hügel könnte zumindest zum Hobby-Hügel werden. Aber weil das Wasserrad ja im Mittelpunkt des Ganzen stehen soll, könnte auch er sich ein Gebäude im Stile einer alten Mühle vorstellen.

Peter Feßl (SPD) philosophierte darüber, dass die Energie-Erzeugung und das Gartenhaus kein Widerspruch seien. Denn nirgendwo habe Goethe so viel Energie erzeugt, wie in seinem Gartenhaus.

Markus Käser (SPD) übte harsche Kritik an allen drei Varianten und stellte angesichts der sich entsponnenen Debatte klar: „So viel Diskussion gibt es nur dann, wenn die Entwürfe so schlecht sind.“ Seine Forderung lautete deshalb: Weg mit diesen drei Vorschlägen „und nochmal neu“.

Während sich Peter Heinzlmair (FW) für ein Vollholz-Haus aussprach, bemühte sich Stadtbaumeister Gerald Baumann, zumindest den Erdhügel zu verhindern. Der sei an dieser Stelle „nicht das Richtige“, man brauche hier schon eine Haus-Form. Die „Aversion gegen Beton“ überrasche ihn, ließ er wissen. Und Goethes Gartenhaus würde man ja auch nicht 1:1 nachbauen – damit wäre man ja eher im Tourismusbereich. Man wolle aber doch eher Baukultur betreiben.

 

Variante C: "Gartenhaus Weimar" – auf den Spuren von Goethe.

Nach dieser intensiven Debatte musste aber irgendeine Lösung her. Und die sah dann so aus, dass Bürgermeister Herker darüber abstimmen ließ, welcher der Vorschläge ausscheiden soll. Das Ergebnis war unmissverständlich: Alle drei Varianten fielen durch und sind damit raus. Nun möge sich eine Arbeitsgruppe, die in der anschließenden nicht-öffentlichen Sitzung gebildet werden sollte, zügig darum bemühen, dass ein mehrheitsfähiger Vorschlag auf den Tisch kommt. 

Übrigens: Goethe hatte zwar in Pfaffenhofen kein Gartenhaus, aber er war zumindest hier zu Besuch. In der Nacht des 5. September 1786 kam er an. Wie lange er verweilte, ist leider unbekannt. Sonderlich beeindruckt war er jedenfalls nicht. In seinem Reise-Tagebuch vermerkte er bloß: „Pfaffenhofen 10 Uhr". Zu weiteren Notizen sah er sich nicht inspiriert. Die Pfaffenhofener mögen sich mit der Tatsache darüber hinwegtrösten, dass der große Dichter über Neustadt und Geisenfeld auch nicht mehr geschrieben hat.

Wie soll das Gebäude aussehen, das neben dem Wasserrad gebaut wird? Diese Frage blieb gestern offen.

Nähere Ausführungen zu den drei Varianten lesen Sie hier: 

Wird die Arlmühle zum Betonbunker?

Weitere Berichte aus den gestrigen Sitzungen von Stadtrat und Bauausschuss: 

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