Der 36-Jährige war bundesweit an zahlreichen Orten beschäftigt. Polizei gab den bisherigen Stand der Ermittlungen bekannt.
(ty) Die umfangreiche Serie von Taten, die dem 36-Jährigen vorgeworfen werden, sorgt für Aufsehen und Erschütterung. Als ungelernte Pflegehilfskraft soll der Pole etlichen Personen, die er betreute, nicht verordnetes Insulin verabreicht haben – mehrfach mit tödlichen Folgen. Dem Mann werden nach den bisherigen Ermittlungen sechs Fälle des Mordes, drei Fälle des versuchten Mordes sowie drei Fälle der gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen. Hinzu kommen Diebstähle. Die Tatorte verteilen sich nahezu über das gesamte Bundesgebiet, darunter auch der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen und Ottobrunn bei München. Jetzt hat die Polizei die bisherigen Erkenntnisse veröffentlicht.
Der heute 36-jährige Pole war demnach seit Mai 2015 als ungelernte Pflegehilfskraft im Rahmen von 24-Stunden-Betreuungen in Deutschland tätig. Zwischen seinen Tätigkeiten reiste er immer wieder zu seinem Wohnsitz in Polen. Zuvor befand sich der Beschuldigte bis zu seiner Entlassung 2014 in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten in Haft – vorwiegend aufgrund von Verurteilungen wegen Vermögensdelikten, wie es heißt. Nach Absolvierung eines Pflegekurses in Polen bewarb er sich laut Polizei bei einer Vielzahl unterschiedlicher polnischer und einer slowakischen Vermittlungsagentur als Pflegehilfskraft und wurde durch diese schließlich an Haushalte in ganz Deutschland vermittelt. Mittlerweile konnten 68 Beschäftigungs-Örtlichkeiten ermittelt werden, an denen der Mann – generell nur für sehr kurze Zeit – tätig war.
Wie der Beschuldigte laut Polizei im Rahmen der inzwischen durchgeführten Vernehmungen einräumte, belastete ihn aus verschiedenen Gründen seine Tätigkeit als Pflegehilfskraft und 24-Stunden-Betreuer häufig stark. In diesen Fällen sei er auch nicht bereit gewesen, seine Tätigkeiten tatsächlich über einen längeren Zeitraum auszuführen. Zudem habe er diese Gelegenheiten genutzt, um ungestört die Häuser und Wohnungen der von ihm betreuten und oft wehrlosen Personen zu durchsuchen. Dabei beging er, so heißt es von den Beamten, mehrere Diebstähle. Gab es nichts zu stehlen, habe er offenbar Ausreden erfunden – zum Beispiel, dass nahe Angehörige von ihm ernsthaft erkrankt oder gar gestorben seien: Aus diesem Grund habe er dem Beschäftigungsverhältnis nicht weiter nachkommen können, soll er den Verantwortlichen vorgeschwindelt haben.
An 17 der 68 festgestellten Örtlichkeiten, an denen der Beschuldigte beschäftigt war und an denen er den von ihm betreuten Personen kein Insulin verabreichte, konnten von der Polizei Diebstahls-Handlungen nachvollzogen werden. Hierbei seien überwiegend Bargeld und Schmuck gestohlen worden, aber auch verschiedenste Haushaltswaren und Lebensmittel.
Aufgrund einer Diabetes-Erkrankung sei dem Beschuldigten im Januar vergangenen Jahres Insulin samt einem so genannten Insulin-Pen verschrieben worden. Der Mann sei im Rahmen der Behandlung seiner Erkrankung über die Risiken und möglichen Folgen einer Unter- oder Überdosierung von Insulin ausführlich aufgeklärt worden.
Ab 12. April vergangenen Jahres können dem Beschuldigten – so der aktuelle Ermittlungsstand – bei zwölf von ihm betreuten Personen medizinisch nicht indizierte Verabreichungen von Insulin mittels Pen zugeordnet werden. Der Pole habe inzwischen alle Insulin-Verabreichungen bei den zwölf Personen gestanden.
Er bestreite jedoch eine absichtliche vorsätzliche Tötung der betreuten Personen. Aufgrund der Ermittlungen sei am vergangenen Mittwoch ein erweiterter Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Dem Mann werden nun sechs Fälle des Mordes, drei Fälle des versuchten Mordes sowie drei Fälle der gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen.
Diese von der Polizei am Montag veröffentlichte Karte zeigt die Orte, an denen der Beschuldigte nach bisherigen Erkenntnissen als Pfleger gearbeitet haben soll. Rot markiert die Tatorte.
Im Einzelnen führt die Polizei folgende Fälle auf:
- Mord und Diebstahl bei einem 77-Jährigen im Landkreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein am 12.04.2017
- Versuchter Mord und Diebstahl bei einem 91-Jährigen in Mühlheim an der Ruhr am 25.05.2017
- Versuchter Mord bei einem 90-Jährigen im Landkreis Esslingen am 02.06.2017
- Versuchter Mord bei einem 82-Jährigen im Landkreis Weilheim-Schongau am 27.06.2017
- Mord und Diebstahl bei einem 77-Jährigen im Landkreis Erlangen-Höchstadt am 06.07.2017
- Mord und Diebstahl bei einer 88-Jährigen im Landkreis Tuttlingen in der Nacht vom 25. auf den 26.07.2017
- Mord und Diebstahl bei einem 66-Jährigen in Hannover am 30.07.2017
- Gefährliche Körperverletzung und Diebstahl bei einem 81-Jährigen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen am 29.08.2017
- Gefährliche Körperverletzung und Diebstahl bei einer 79-Jährigen in Hamburg in der Nacht vom 15. auf den 16.12.2017
- Gefährliche Körperverletzung und Diebstahl bei einem 82-Jährigen im Rems-Murr-Kreis (Baden-Württemberg) am 21.12.2017
- Mord und Diebstahl bei einem 84-Jährigen im Landkreis Kitzingen in der Nacht vom 16. auf den 17.01.2018
- Mord und Raub mit Todesfolge bei einem 87-Jährigen in Ottobrunn am 12.02.2018
Nach Einschätzung der Polizei muss davon ausgegangen werden, dass durch die Festnahme des Beschuldigten weitere gravierende Straftaten verhindert werden konnten. Wie es heißt, hatte der mutmaßliche Mehrfach-Mörder schon eine neue Beschäftigungsstelle in Aussicht. Aufgrund der durchgeführten Öffentlichkeits-Fahndung seien 23 Beschäftigungs-Örtlichkeiten, darunter vier Fälle der Insulin-Verabreichung, bekannt geworden. 45 weitere Örtlichkeiten seien im Zuge der Ermittlungen festgestellt worden.
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