Andrea Riemenschneider-Müller, Chefärztin der Inneren Medizin und Kardiologie an den Ilmtalkliniken, beantwortet wichtige Fragen zum Thema Herzinfarkt.
(ty) Am 29. September findet alljährlich der Weltherztag statt. "Dabei soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass wir uns um unsere Herzen kümmern sollen", heißt es aus der Ilmtalklinik-GmbH mit ihren beiden Krankenhäusern in Pfaffenhofen und Mainburg. Denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen seien jedes Jahr für mehr als 17 Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich – davon rund 340 000 in Deutschland. Nachfolgend beantwortet Andrea Riemenschneider-Müller, die Chefärztin der Inneren Medizin und Kardiologie an den Ilmtalkliniken, einige wichtige Fragen zum Thema Herzinfarkt.
Frau Riemenschneider-Müller, wie erkennt man einen Herzinfarkt? Gibt es da einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Riemenschneider-Müller: "Zumeist sind die ersten Anzeichen starke, meist drückende Schmerzen im Brustkorb oder im Oberbauch. Oft strahlen die Schmerzen aus, zum Beispiel in die Arme, den Bauch, den Rücken, in den Hals- Kiefer- Bereich oder die Schulterblätter. Hinzu kommen häufig Übelkeit, teilweise mit Erbrechen, und Atemnot. Bei Frauen, und das ist das Heimtückische, ist häufig der starke Schmerz im Brustkorb nicht so ausgeprägt wie bei Männern, weshalb bei Frauen nicht selten der Herzinfarkt verzögert erkannt wird. Die erste Verzögerung verursacht dabei so manches Mal die Patientin selbst, die eher an eine Magenverstimmung als an einen Herzinfarkt denkt. Die traurige Konsequenz der verzögerten Diagnostik bei Frauen ist eine erhöhte Sterblichkeit."
Die Beschwerden treten meist plötzlich und unerwartet auf?
Riemenschneider-Müller: "Jein. Neuere Studien haben ergeben, dass bei rund der Hälfte der Fälle die ersten Vorboten bereits 24 bis 48 Stunden vor dem eigentlichen Herzinfarkt auftreten. Leider werden die kurzen Phasen der Brustkorb-Enge, des Brennens hinter dem Brustbein als kleine Schwächephase des Körpers interpretiert und werden deswegen vom Betroffenen häufig ignoriert. Sollten die Schmerzen aber länger als fünf Minuten andauern, sollte man hellhörig werden."
Wie reagiert man, wenn man bei sich selbst oder bei einer anderen Person den Verdacht auf Herzinfarkt hat?
Riemenschneider-Müller: "Ähnlich wie beim Schlaganfall, geht es auch beim Herzinfarkt um sofortige Hilfe. Auf gar keinen Fall abwarten und hoffen, dass es von alleine wieder besser wird – das wird es nämlich nicht. Sie sollten auch gegenüber Freunden und Bekannten, die an Symptomen leiden, deutlich den Verdacht auf einen Herzinfarkt ansprechen – bitte keine falsche Rücksichtnahme an dieser Stelle. Bei der akut lebensbedrohlichen Erkrankung zählt jede Minute. Der Betroffene muss daher so schnell wie möglich mit notärztlicher Begleitung ins nächst gelegene geeignete Krankenhaus transportiert werden. Bestätigt sich der Verdacht des Herzinfarktes, so erfolgt ohne jede Verzögerung eine Herzkatheter-Untersuchung mit dem Ziel, das für die Beschwerden ursächliche, meist gänzlich verschlossene Herzkranz-Gefäß wieder aufzumachen.
Und wenn das Krankheitsbild nicht eindeutig ist?
Riemenschneider-Müller: "Sollte das Krankheitsbild nicht so eindeutig sein, wird der Patient in einer Chest-Pain-Unit, also einer Brustschmerz-Abteilung versorgt. Wir an der Ilmtalklinik in Pfaffenhofen haben eine zertifizierte Chest-Pain- Unit. Die Abläufe dort sind standardisiert und laufen mit täglich eingeübter Routine – davon profitiert der Patient. Je schneller eine adäquate Diagnostik und Therapie erfolgt, umso kleiner der verbleibende Schaden am Herzmuskel und umso größer die Überlebens-Wahrscheinlichkeit. Nach wie vor stirbt ein Drittel der Patienten, die einen Herzinfarkt erleiden – trotz der hervorragenden Behandlungs-Methoden, die zur Verfügung stehen."
Was kann man tun, um einen Herzinfarkt zu vermeiden?
Riemenschneider-Müller: "Zusammengefasst: einen gesunden Lebensstil pflegen. Seien Sie aktiv und bewegen Sie sich. Alles, was zu mehr Bewegung führt, ist gut. Für den einen ist es die Gruppe, die motiviert – zum Beispiel Laufgruppe, Herzsport-Gruppe –, für den anderen ist es so ein kleiner Helfer wie eine Smart-Watch mit Schrittzähler. Die beste Ernährungsform ist eine mediterrane Kost mit viel frischem Gemüse, pflanzlichen Fetten – Olivenöl – und eher wenig Fleisch. Dabei gilt: Nicht was an fünf Tagen gegessen wird – am Geburtstag, Hochzeitstag, Weihnachten und Ostern oder Vergleichbarem –, sondern was die restlichen 360 Tage gegessen wird, ist entscheidend. Unbedingt vermieden werden muss ein Nikotin-Konsum. Dazu müssen die Risiko-Faktoren, wie Bluthochdruck, ein hoher Cholesterin-Spiegel, eine diabetische Stoffwechsellage und so weiter, optimal eingestellt werden. Jeder einzelne kann also seinen Beitrag für seine Gesundheit leisten. Und das Gute ist: Wer das tut, verhindert nicht nur schlimme Ereignisse, sondern fühlt sich auch besser."