Bei der Schulpolitik werfen die Sozialdemokraten Landrat Martin Wolf (CSU) "Sinneswandel" vor und fordern per offizieller Anfrage detaillierte Auskünfte sowie eine von einem unabhängigen Institut erstellte Bildungslandkarte
Audio-Podcast: "Kann gar kein Sinneswandel sein" – die Entgegnung von Landrat Wolf
Von Tobias Zell
In Verbindung mit einer offiziellen Anfrage hat die SPD-Fraktion in der gestrigen Sitzung des Pfaffenhofener Kreistags Kritik an Landrat Martin Wolf (CSU) geübt und ihm bei der Schulpolitik einen „Sinneswandel“ vorgeworfen. Konkret geht es den Sozialdemokraten um Überlegungen der CSU und der Freien Wähler bezüglich eines weiteren Gymnasiums im Landkreis sowie zur Errichtung einer Wirtschaftsschule. Die SPD hat nun an die Adresse des Kreischefs einen schriftlichen Fragenkatalog gerichtet und fordert zugleich erneut eine Bildungslandkarte.
„Für vorausschauende Planung braucht es professionell und unabhängig erstellte Zahlen, Fakten und eindeutige und klare schulpolitische Zielsetzungen“, heißt es in der Anfrage, die unserer Zeitung vorliegt. „Vor allem müssen dann jetzt alle Fakten auf den Tisch“, fordert die SPD-Fraktion und will wissen: Sind Mittelschulstandorte gefährdet? Wie sind die aktuellen und zukünftigen Schülerströme aller Schularten? Wie verhalten sich die Übertrittsquoten ans Gymnasium gegenüber den Abgängen?
SPD-Kreischef und Fraktionsvize Markus Käser hat gestern in der Sitzung, die in Manching stattfand, kurz mündlich umrissen, worum es den Sozialdemokraten geht. Die entsprechende schriftliche Anfrage sei Wolf bereits zugegangen, erklärte Käser noch am Abend. „Wir wollen eine zukünftige Schullandlandschaft mit langfristig geschützten Grund- und Mittelschulstandorten. Wir fordern deshalb vom Landkreis, um die Entwicklung der kommenden Jahre absehbarer und planbarer zu machen, eine von einem unabhängigen Institut erstellte Bildungslandkarte“, heißt es in dem Schreiben.
SPD-Fraktionsvize Markus Käser führte die Anfragen gestern im Kreistag kurz aus; links neben ihm Fraktionschef Martin Schmid.
„Wohnortnahe Schulen stellen ein Stück Lebensqualität für alle dar“, führt die SPD aus. Viele Mittelschulen in Bayern und nun auch im Landkreis hätten den Gefahrenbereich der Einzügigkeit“ erreicht, das heißt: nur noch eine Klasse pro Jahrgang. Und die amtlichen Schuldaten der vergangenen Jahre zeigen laut SPD dazu auch einen eindeutigen Trend. Das Elternwahlverhalten in Richtung Realschule und Gymnasium sei unverändert und auch die Geburtenzahlen sinken weiter. „An einigen Standorten haben sich die Schülerzahlen an der Mittelschule deshalb innerhalb der letzten zehn Jahre halbiert.“
„Die Staatsregierung reagierte auf die bereits vor Jahren absehbare Situation mit der Umetikettierung der Hauptschule in Mittelschulen und den freiwilligen Schulverbünden“, schreibt die SPD. „Bei Verteilung der verschiedenen Bildungsangebote auf verschiedene Standorte müssen die Schüler zwischen den einzelnen Standorten des Verbundes dann auf Kosten der Kommunen transportiert werden.“ Rückblickend brachten aber nach Meinung der SPD weder die Schulverbünde noch der neue Name den Hauptschulen mehr Schüler. Problemverschärfend kommt aus Sicht der Sozialdemokraten hinzu, dass die Pläne der CSU und FW für eine Wirtschaftsschule und ein weiteres Gymnasium im Landkreis den "Schüler-Absog" von den Mittelschulen noch weiter erhöhen würden.
Bezüglich eines weiteren Gymnasiums sei der Landrat „noch Mitte Februar ganz anderer Meinung“ gewesen, hält ihm die SPD vor. "Kein gemeinsames Gymnasium mit Ingolstadt am Standort Manching", habe Wolf im Rahmen einer Kreistagssitzung gesagt. Und auch bei einem Regionaltreffen in Neustadt Anfang April habe er betont, "die Idee eines Gymnasiums in Neustadt müsse weiterentwickelt werden" – womit der Standort Manching dann ebenfalls aus dem Rennen wäre, wie Käser & Co. folgern und von Wolf wissen wollen: „Woher und warum der plötzliche Umschwung zur Prüfung des Standortes Manching?“
Angesichts des von FW und CSU forcierten Prüfauftrags hinsichtlich einer Wirtschaftsschule erinnert die SPD-Fraktion den Landrat, „dass beispielsweise die Tatsache, dass im Landkreis keine Wirtschaftsschule vorhanden war, ein wesentliches Kriterium zur Anerkennung der FOS in Scheyern gewesen ist“, und fragt: „Haben sich die Voraussetzungen innerhalb eines Jahres geändert, so dass Sie nun doch eine Prüfung in Erwägung ziehen?“
Wolf: Kein Sinneswandel
Landrat Wolf wies den Vorwurf des „Sinneswandels“ in Sachen Wirtschaftsschule zurück. Es handle sich um einen ergebnisoffenen Prüfauftrag, sagte er, insofern könne man hier gar nicht von einem Sinneswandel sprechen. Zu einem weiteren Gymnasium erklärte Wolf, man werde diesbezüglich erst handeln, wenn Ingolstadt den Auslöser gebe. Bis dahin werde nichts passieren. Die komplette Entgegnung von Landrat Martin Wolf auf die mündlichen Ausführungen zur schriftlichen SPD-Anfrage hören Sie hier: "Kann gar kein Sinneswandel sein"
Auch Max Hechinger (FW) meldete sich zu Wort, weil Käser sinngemäß die Frage aufgeworfen hatte, was die CSU um Wolf denn im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit den Freien Wählern im Gegenzug für den „Sinneswandel“ bekommen habe. Über 250 Schüler aus dem Landkreis Pfaffenhofen müssten zu einer Wirtschaftsschule in Ingolstadt, München oder Freising pendeln, weil es man dieses Angebot vor Ort nicht habe. Mit einer Wirtschaftsschule im Landkreis würde man Schüler in den Kreis zurückholen, so Hechinger. Bekanntlich ist als möglicher Standort Rohrbach im Gespräch, auch wegen der Bahnanbindung. „Wir sind gespannt, was die Prüfung bringen wird“, sagte Hechinger und betonte: „Wir wollen keine Mittelschule gefährden.“
Schnapp: Wir brauchen fundierte Zahlen
SPD-Fraktionschefin Martin Schmid forderte den Landrat und die Kreisverwaltung auf: "Stellt bitte fest, aus welcher Kommune wer wohinfährt." Man brauche die Schülerströme, erst dann könne man zum Beispiel darüber diskutieren, ob man ein weiteres Gymnasium brauche, so der Bürgermeister von Vohburg. Kerstin Schnapp, die Fraktionschefin der Grünen, äußerte sich ähnlich: Man benötige fundierte Zahlen, bevor man über irgendwelche Schul-Standorte reden könne. Christian Staudter (AUL) wollte die Debatte – die es ja gar nicht geben hätte sollen, weil es sich ja um eine Anfrage handelte – per Antrag zur Geschäftsordnung beendet wissen. Und sie war dann auch beendet.
Die SPD will nun erst einmal abwarten, welche offiziellen Antworten auf die gestern gestellte Anfrage von Wolf und aus dem Landratsamt kommen. „Wir gehen davon aus, dass das Ganze nochmal im Rahmen des Kreistags auf den Tisch kommt und dann im Detail diskutiert wird“, sagt Fraktionsvize Käser gegenüber unserer Zeitung. „Anfrage bleibt Anfrage.“
Weitere Anfrage der SPD
Doch nicht nur mit der Schulpolitik von Landrat Martin Wolf, der CSU und den Freien Wählern ist die SPD-Fraktion unzufrieden, sondern auch mit der Ferienbetreuung von Kindern im Landkreis. Auch hierzu haben die Sozialdemokraten gestern eine Anfrage gestellt und fordern nun Auskünfte vom Kreischef. Lesen Sie dazu: "Das ist wie Wollen und nicht Können"