Beim Dreikönigstreffen in Wolnzach ließ SPD-Kreischef Markus Käser kein gutes Haar an den Christsozialen: "Spalten und Brunnen vergiften, das ist ihr Handwerk" – Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker appellierte an die Gemeinden, mehr für Asylbewerber zu tun, als gesetzlich gefordert – Applaus für SPD-Rebell Walter Adam aus Abensberg, um den sich die Basis-Initiative "Zeit für die Mutigen" formiert hat – Käser trägt sich mit Rücktrittsgedanken, falls seine Unzufriedenheit mit dem Kurs der Bundes-SPD anhält
Von Tobias Zell
Beim heutigen Dreikönigstreffen der Pfaffenhofener Landkreis-SPD in Wolnzach hat deren Vorsitzender Markus Käser massive Kritik an der CSU geübt und zugleich die eigene Fraktion – wenngleich in der Opposition – als „Treiber und Motor im Kreistag“ bezeichnet. Landrat Martin Wolf (CSU) sei dabei „der zwölfte Mann“ der SPD. Den Christsozialen im Allgemeinen sei aber „gar nichts heilig“, schimpfte Käser. „Spalten und Brunnen vergiften, das ist ihr Handwerk, das können sie ganz gut“, verurteilte er Äußerungen zur Asylpolitik. Die CSU verbreite „impotente“ und „substanzlose“ Forderungen nach einer Obergrenze für Flüchtlinge sowie Botschaften, die „nur Tatkraft simulieren“. Was es brauche, sei aber eine europäische Lösung zur Flüchtlingsfrage und eine breite Diskussion in der Mitte der Gesellschaft.
Rund 60 Leute waren heute Abend ins Hotel Hallertau gekommen, um Reden von SPD-Kreischef Käser und Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker zu hören. Als Haupt-Act war sozusagen Walter Adam gekommen, der Ehrenvorsitzende der Abensberger SPD, um den herum sich unter dem Motto „Zeit für die Mutigen“ eine Basis-Initiative gebildet hat, die aus Unzufriedenheit mit der eigenen Partei für ein Umdenken bei den Sozialdemokraten, vor allem an deren Spitze, sorgen will. Käser erklärte in diesem Zusammenhang, dass er sich – Stand heute – angesichts des bundespolitischen Kurses nicht vorstellen könne, im Jahr 2017 für seine Partei Bundestags-Wahlkampf zu machen. Sollte das so bleiben, werde er seinen Posten als SPD-Kreischef aufgeben.
Rund 60 Leute waren zum Dreikönigstreffen der SPD gekommen; hier der Wolnzacher Ortsvorsitzende Hermann Schaubeck bei der Begrüßung.
In seiner Ansprache blickte Käser zurück auf ein vergangenes Jahr, in dem man sich nicht mehr in kleine, kreispolitische Debatte habe verlieren können. Ein Jahr, in dem seiner Meinung nach die Politik auf die Straßen und in die Wohnzimmer zurückgekehrt ist. Ein „Wendejahr“, wie er es nannte. Das bestimmende Thema: Flüchtlinge. „Die Wucht des Zustroms“ habe auch den Landkreis Pfaffenhofen erreicht. Die Gemeinden richten sich bekanntlich derzeit auf die Aufnahme von jeweils zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl an Asylbewerbern ein.
Landrat Wolf könne beruhigt sein, ließ Käser wissen: „2016 wird für uns kein Wahlkampf-Jahr.“ Es gebe andere, große Herausforderungen, die man gemeinsam meistern müsse – und daran wolle sich die SPD konstruktiv beteiligen. Die nächste Landratswahl findet bekanntlich im Herbst 2017 statt. Käser lobte Wolf für die Themen, die er „von der SPD abgeschrieben“ und umgesetzt habe – etwa das Bildungsmonitoring, das Bündnis für Familie oder die Landratsamt-Außenstelle. Wolf sei „der zwölfte Mann“ der SPD, die bekanntlich elf Kreisräte stellt. Seine Sozialdemokraten sieht Käser als „Treiber und Motor“ im Kreistag.
"Soziale Ausfälle ohne Mehrwert fürs Gemeinwohl"
Lob gab es für Wolf vor allem mit Blick auf die Bewältigung des Flüchtlings-Zustroms im Landkreis. Er gehe die Themen „umsichtig, konstruktiv und hart an der Sache“ an, würdigte Käser. Wolf sei damit ein „wahrhaft warmer Kontrast“, zur Spitze seiner Partei auf Landes- und Kreis-Ebene – denn von dort kämen „ausschließlich markige Sprüche oder unsachliche Bemerkungen“. Käser sprach wörtlich von „sozialen Ausfällen ohne Mehrwert fürs Gemeinwohl“. Die Kreis-CSU habe keine Hemmungen, Überschriften zu verwenden, die auch auf NPD-Plakaten stünden.
Den Christsozialen sei „nichts heilig“, sagte Käser und erinnerte daran, dass die Kreis-CSU einen Tag vor Weihnachten den Stopp des Familiennachzugs aus Kriegsgebieten gefordert habe. Wäre er Mitglied der CSU, er hätte sich geschämt, kommentierte Käser. „Spalten und Brunnen vergiften, das ist ihr Handwerk, das können sie ganz gut“, attestierte er dem politischen Kontrahenten.
Zeigten nach der jüngsten CSU-Kritik demonstrative Einigkeit: SPD-Kreischef Markus Käser (links) und Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker.
Auch auf die jüngsten Vorwürfe, der Kreis-CSU ging Käser – im Gegensatz zu Herker – ein. Die Christsozialen haben bekanntlich in Sachen Flüchtlingspolitik Diskrepanzen innerhalb der Kreis-SPD ausgemacht. Käser konterte heute: In Sachen Einigkeit brauche die CSU der SPD nichts zu erzählen. Als Beispiel nannte er eine der jüngsten Kreistagssitzungen, in der die CSU eine Unterbrechung beantragt hatte, weil sie sich offensichtlich nicht einig war und eine Abstimmung gegen Wolf auszufallen drohte. Lesen Sie dazu: Eine Frage der Einstellung
„Wir müssen über alles reden – ehrlich und tabulos“, betonte Käser zu Asylpolitik und Flüchtlings-Zustrom. Aber der Ton mache dabei die Musik. Die Forderungen der CSU nach Obergrenzen bezeichnete er als „substanzlos“ und „impotent“; sie heizen seiner Meinung nach nur die Stimmung auf. Die CSU verbreite „Botschaften, die nur Tatkraft simulieren“. Das Schade der Glaubwürdigkeit der Politik.
"Wir brauchen Härte, aber auch Hirn und Herz"
Natürlich müsse man über die Vorkommnisse in Köln reden, stellte Käser klar. Und natürlich müsse der Rechtsstaat hier durchgreifen – ohne Ansehen von Person und Herkunft. „Wir brauchen Härte, aber auch Hirn und Herz“, so der SPD-Kreischef. Was man dagegen nicht brauche, sei Hetze.
Es gebe klare Vorschläge für ein Einwanderungsgesetz, so Käser weiter. Seiner Meinung nach braucht es zudem vor allem europäische Solidarität. Es könne nicht sein, dass sich Länder aus dem europäischen Gedanken nur die Rosinen herauspickten, sagte er sinngemäß. Jedem sei klar, dass Deutschland nicht jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen könne. Wenn es nicht gelinge, eine europäische Lösung zu finden, „dann ist die EU tot“, prophezeit Käser.
Der SPD-Kreischef forderte ausdrücklich eine breite Diskussion zur Flüchtlings-Problematik. Die dürfte man aber nicht rechten Kleingeistern überlassen, sondern man müsse sie in der Mitte der Gesellschaft führen, erklärte er sinngemäß. „Wo sind die Grünen, die FDP und die Freien Wähler in dieser Diskussion“, fragte Käser.
Walter Adam aus Abensberg – SPD-Rebell, Auftrüttler, unzufrieden mit den Partei-Oberen.
Der Landkreis Pfaffenhofen sei eine der reichsten Regionen Europas und damit wohl auch der Welt, so Käser. Der Wachstumsdruck komme nun von zwei Seiten – aus den Ballungsräumen und durch Flüchtlinge mit Bleiberecht. Wohnraum ist bereits knapp, die Mieten sind hoch. Das wirft für Käser die Frage nach möglichen Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen auf. Man müsse sich dabei vor allem die Frage stellen: Was seien einem Humanität und Solidarität wert, wenn es etwas kostet? Auch darüber müsse man intensiv, offen und ehrlich diskutieren.
Hermann Schaubeck, der Vorsitzende der Wolnzacher SPD, betonte, man müsse bei der Schaffung von Wohnraum für Asylbewerber Ghetto-Bildung verhindern und auf eine vernünftige Infrastruktur achten. Natürlich koste das Geld. Er unterstütze jedenfalls die Petition der 19 Landkreis-Bürgermeister, in der sie finanzielle Unterstützung vom Bund für die Kommunen zur Bewältigung der drohenden Obdachlosigkeit durch den Familiennachzug von anerkannten Asylbewerbern fordern. Mit Wohnraum schaffe der Staat auch bleibende Werte, so Schaubeck.
Herker: Gemeinden müssen mehr tun, als gesetzlich nötig
Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker erläuterte, dass die Kommunen in Zusammenhang mit anerkannten Asylbewerbern dafür zuständig seien, Obdachlosigkeit zu verhindern sowie Kapazitäten in Kindergärten und Schulen zu schaffen. „Wir müssen aber mehr tun als das, was uns gesetzlich obliegt“, unterstrich er. Als Beispiele nannte er Sprachförderung, dezentrale Unterbringung und Integration. Pfaffenhofen mache einen Anfang und stelle in einem ersten Schritt zwei hauptamtliche Kräfte ein. Die ehrenamtlichen Helfer seien das Rückgrat, sagte Herker – doch er riet den Kommunen, unbedingt auch hauptamtliche Strukturen zu schaffen. Außerdem verwies er auf das 30-Millionen-Euro-Programm der Kreisstadt zur Schaffung von sozialem Wohnraum. Man baue für Bedürftige – unabhängig von deren Nationalität, stellte er klar.
Einmal mehr betonte Herker, dass die Kreisstadt moderat wachsen soll. „Wir wollen nicht die Wachstumsprobleme Münchens lösen.“ Konkret soll sich das Wachstum zum Beispiel am Bauplatz-Bedarf der einheimischen Bevölkerung orientieren.
Der Wolnzacher SPD-Kreisrat Werner Hammerschmid forderte in seiner Kommune „bezahlbaren Wohnraum für alle“. In diesem Zusammenhang kritisierte er, dass es in der Gemeinde kein klares Modell gebe, das den kommunalen Ankauf von Flächen regelt, die dann zu Bauland weiterentwickelt werden. Im Rahmen des Einheimischen-Modells schöpfen viele Gemeinden Teile der Flächen ab, um ein Steuerungsinstrument zu haben – in Pfaffenhofen sind das zum Beispiel 50 Prozent. Die Orts-SPD habe ein derartiges Vorgehen bereits mehrfach auch für Wolnzach gefordert, so Hammerschmid, doch der Bürgermeister habe hier kein Konzept.
Walter Adam hielt eine engagierte Rede um bekam viel Applaus.
Der Höhepunkt des Dreikönigstreffens sollte die Ansprache von Walter Adam aus Abensberg sein, um den herum sich die SPD-Basis-Initiative „Zeit für die Mutigen“ formiert hat – mit Blick auf die Bundes- und Landtagswahlen. Bekannt wurde Adam als der bayerische Sozi-Rebell, der Mitte vergangenen Jahres in Hirschaid Florian Pronold als Gegenkandidat um den Posten des Landesvorsitzenden herausgefordert und aus dem Nichts mehr als ein Drittel der Delegiertenstimmen erhalten hat. Adam ist nun auch der Frontmann der Basis-Initiative.
In einer engagierten Rede erzählte Adam, wie es zu seiner Kandidatur kam und wie daraus nun die Initiative entstand. Seine Enttäuschung über die Partei-Oberen wurde mehr als deutlich. Er sieht die Grundwerte der SPD mindestens in Gefahr, wenn nicht bereits verraten. Die SPD müsse sich wieder auf ihre Grundwerte besinnen, fordert er – doch stattdessen gehe es manchen nur um ihre Posten. Als „Vulkan aus Abensberg“ wurde Adam, der viel Applaus bekam, nach seinen Ausführungen von Käser genannt.
Video-Clip zur Basis-Initiative "Zeit für die Mutigen" um Walter Adam.
Käser selbst machte ebenfalls keinen Hehl daraus, dass er mit dem Kurs der Bundes-SPD nicht einverstanden ist. Für ihn wurde – wie berichtet – mit der Zustimmung zur Vorratsdatenspeicherung eine rote Linie überschritten. Elf von 16 Landesverbänden hatten dazu gegenteilige Beschlüsse gefasst, erinnert er heute noch einmal. Außerdem verhindert seiner Meinung nach ausgerechnet die SPD, dass Bürger-Genossenschaften neue Projekte für erneuerbare Energien starten können.
Für Käser geht es nach eigenen Worten sogar um die Frage, ob er den Posten als SPD-Kreisvorsitzender überhaupt behält. Unter dem derzeitigen politischen Kurs der Bundespartei könne er sich jedenfalls nicht vorstellen, im Jahr 2017 auf die Straße zu gehen und einen Bundestags-Wahlkampf für die SPD zu organisieren. „Wenn das so bleibt, dann muss ich von meinem Amt als Kreischef zurücktreten“, bestätigte er gegenüber unserer Zeitung.
Weitere Beiträge zum Thema:
"Geistige Brandstiftung und Brunnenvergiftung"
CSU fragt sich: "SPD im Landkreis – Vernunft oder Ideologie?"