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Im Wittelsbacher Forst sollen drei Windkraft-Anlagen entstehen, die Idee gefällt nicht jedem – Eine Zusammenfassung der Argumente und was bisher geschah

(ty) Der Worte sind genug gewechselt, jetzt wird entschieden! Rund 1700 Wahlberechtigte stimmen am morgigen Sonntag in der Gemeinde Ilmmünster darüber ab, ob im Wittelsbacher Forst ein Windpark entstehen soll oder nicht. Geplant sind bekanntlich drei Windkraft-Anlagen. Das Wahllokal in der hiesigen Schule hat von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Rund 400 Bürger haben ihr Votum bereits per Briefwahl abgegeben. Mit einem ersten, vorläufigen Ergebnis ist morgen gegen 19 Uhr zu rechnen. 

„Primus Energie“, ein Projektentwickler für Windkraft aus Regensburg, hatte bekanntlich bei der Gemeinde Ilmmünster den Windpark mit vier Anlagen beantragt. Und auf Anfrage der Kommune hatte die hiesige Bürgerenergie-Genossenschaft (BEG) angeboten, das Projekt bei positivem Ausgang des Bürgerentscheids zu übernehmen, den Windpark zu betreiben und ihn für direkte Bürgerbeteiligung zu öffnen.

 

Inzwischen sind aus den vier geplanten Anlagen drei geworden; die südlichste der vier angedachten Anlagen soll nämlich nicht gebaut werden. Diesen Vorschlag zum Schutz der Brautlache hatte BEG-Chef Andreas Herschmann, wie berichtet, dem Ilmmünsterer Bürgermeister Anton Steinberger (CSU) mitgeteilt – und ist damit auf offene Ohren gestoßen. 

Die BEG unterstrich dabei die reduzierten Planungen nachdrücklich. Man könne sich die Übernahme des Projekts „nur dann vorstellen, wenn der Park um die südliche Anlage reduziert wird”, stellte BEG-Chef Herschmann klar und betrieb zugleich Werbung in eigener Sache: Das sei eben der wesentliche Unterschied zwischen der Bürgerenergie-Genossenschaft und einem klassischen Investor. Denn die Planungsformel der BEG laute: So viele Windkraft-Anlagen wie nötig und so wenig wie möglich. 

 

Foto-Simulation: So sollen die drei geplanten Windräder vom Ilmmünsterer Sonnenhang aus aussehen.

„Der Schutz der Brautlache ist für unsere Bürger ein zentrales Thema und deshalb begrüße ich diesen Vorschlag sehr“, kommentierte Steinberger. Mit dem Verzicht auf das vierte Windrad bleibe der Eingriff in die Natur minimal und die Brautlache unberührt. „Mit dieser veränderten Planung können wir als Gemeinde immer noch einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten und hoffen auf die Zustimmung unserer Bürger bei der Umsetzung der Energiewende”, so der Ilmmünsterer Rathauschef  

Diese Wendung nahm man in der Nachbar-Gemeinde Reichertshausen wohlwollend zur Kenntnis. Denn damit fällt genau das Windrad weg, das dort der größte Dorn im Auge gewesen wäre. Bürgermeister Reinhard Heinrich (CSU) & Co. hatten nämlich längst realisiert, dass dieses Windrad „unmittelbar an der Grenze zu unserer Gemeinde“ aufgestellt werden soll. Und diese Anlage, so schrieb er an den Ilmmünsterer Bürgermeister sowie dessen Gemeinderat, liege nur etwa 980 Meter von der Entwicklungsfläche des Baugebiets Reichertshausen-Ost entfernt.

 

Die schwarzen Punkte markieren die drei geplanten Windrad-Standorte (Anmerkung: Die Punkte wurden zur besseren Erkennbarkeit dick markiert und entsprechen somit nicht dem Maßstab und nicht der tatsächlichen Größe der Anlagen).

Im geltenden Flächennutzungsplan habe man im Kernort Reichertshausen nur zwei Flächen, auf denen größere Baugebiete ausgewiesen werden könnten. Eine davon sei der Bereich im Anschluss an das bestehende Baugebiet Reichertshausen-Ost. Und von dort aus würde man zwei der geplanten Windräder „sehr massiv“ sehen.  Angesichts dieser Erkenntnis hatte der Reichertshausener Gemeinderat im Februar einhellig den Wunsch geäußert, dass man doch bitte in Ilmmünster „im Interesse eines auch weiterhin gut nachbarschaftlichen Miteinanders“ den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan zum Windpark im Wittelsbacher Forst abändern möge. 

Die BEG strich dann auch eines der vier geplanten Windräder aus ihren Gedanken. Ob das tatsächlich die Reaktion auf den Widerstand aus Reichertshausen war, darüber kann man nur spekulieren. Begründet wird der Wegfall dieses Standorts offiziell mit der schwierigen Hanglage und eben dem Schutz der Brautlache. Ein Windrad-Bau an dieser Stelle hätte einen massiven Eingriff in die Natur bedeutet, sagte Steinberger, der zugleich versichert, dass er sich mit seinem Gemeinderat alle vier potenziellen Standorte ganz genau angeschaut habe.

 

In der Nachbar-Gemeinde Paunzhausen (Kreis Freising) sorgt das für Unverständnis. Bürgermeister Johann Daniel (FW) hat inzwischen mehrfach darauf hingewiesen, dass der Paunzhausener Ortsteil Letten nur 1020 Meter von einem der nunmehr drei geplanten Windräder entfernt liegt. Seine Argumentation ist ganz einfach: Dass man die Energiewende braucht, sei klar – aber wenn die Brautlache („Ein Straßengraben mit Marterl“) so schützenswert sei, dass man dafür sogar auf ein Windrad verzichte, dann seien es doch die Bewohner von Letten erst recht. 

„Die Welt ist an der Landkreis-Grenze nicht zu Ende“, lautet Daniels Credo. Da stimmt ihm sein Ilmmünsterer Amtskollege indes voll zu. „Paunzhausen wird nicht anders behandelt, als sich die Gemeinden im Kreis Pfaffenhofen untereinander behandeln“, betont Steinberger. Daniel findet aber, dass hier wird mit zweierlei Maß gemessen wird. Seine größte Sorge ist konkret der Schatten, der durch die Windräder auf seine Gemeinde – vor allem auf Letten und Angerhöfe – geworfen werden könnte.

 

Diese Grafik, auf die man sich in Paunzhausen beruft, zeigt den theoretisch möglichen Schattenwurf der Windräder – doch dazu wird es praktisch gar nicht kommen, entgegnet man aus Ilmmünster.

Der Paunzhausener Rathauschef legte eine astronomische Berechnung vor, die bis zu 134 Schattentage ergibt. Steinberger widerspricht allerdings ausdrücklich: Das sei ein rein theoretischer Wert, den es in der Realität nicht geben werde. Außerdem sei ja gesetzlich klar geregelt, wie lange drehende Windräder ihren Schatten auf einzelne Grundstücke werfen dürfen: maximal 30 Minuten pro Tag an maximal 30 Tagen pro Jahr. Geht es darüber hinaus, würden die Windräder abgeschaltet. Von 134 Schattentagen könne also keine Rede sein, betont Steinberger. 

Um die Paunzhausener Befürchtungen aber zu unterstreichen, waren Bürgermeister Daniel und Emma Gasteiger aus Letten kürzlich eigens noch einmal im Ilmmünsterer Rathaus angerückt, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. Gasteiger hatte zuvor in ihrer Kommune bereits zirka 250 Unterschriften von Gegnern des Ilmmünsterer Windparks gesammelt und Steinberger zukommen lassen. Diese Liste wurde dieser Tage nun noch einmal symbolisch im Rahmen eines Pressetermins überreicht.

 

Unterschriftenliste aus der Nachbar-Gemeinde gegen den Windpark: Paunzhausens Bürgermeister Johann Daniel (links), Emma Gasteiger, Ilmmünsters Bürgermeister Anton Steinberger.

Bei dieser Gelegenheit übergab Gasteiger auch einen offenen Brief an die Bürger von Ilmmünster: „Wir, die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Paunzhausen, sind von den geplanten drei Windrädern im Wittelsbacher Forst am stärkten von Lärm, Infraschall, Schattenwurf und Wertverlust unserer Immobilien betroffen, werden aber nicht an dieser Abstimmung beteiligt“, heißt es da; „Die 10H-Regelung wird uns verweigert!“ Der Appell von Gasteiger & Co. richtet sich direkt an die Ilmmünsterer, die am morgigen Sonntag per Bürgerentscheid das Wort haben, und ist unmissverständlich: „Stimmen Sie am 10. Juli gegen die Windkrafträder!“

Gegner des Ilmmünsterer Windparks gibt es aber auch in der eigenen Gemeinde. Ihre  Argumente lauten dabei nicht viel anders, als überall im Kreis Pfaffenhofen, wo gegen Windräder Stimmung gemacht wird. Unter anderem wird vor der Zerstörung von Landschaft und Natur, dem Werteverfall von Immobilien, der Aushebelung der 10H-Regelung durch die „Positiv-Planung“ im Landkreis sowie vor Lärm, Infraschall und Schattenwurf gewarnt. Zudem wird immer wieder die Rentabilität der Anlagen im angeblichen „Schwachwind-Gebiet Südbayern“ in Frage gestellt. Die BEG hat allerdings erst dieser Tage aktuelle Zahlen veröffentlicht, wonach die bereits stehenden Windräder bei Gerolsbach und im Lustholz bei Uttenhofen bislang gut 14 Prozent mehr Ertrag liefern als prognostiziert. 

Auch die Befürworter des Ilmmünsterer Windparks haben freilich Argumente – und sich ebenfalls formiert. Das Bündnis aus hiesigen Bürgern und der örtlichen Parteien – darunter auch viele Mitglieder des Gemeinderats – sieht den Windpark als entscheidendes Projekt der Dorfgemeinschaft. „Wir bitten deshalb alle Bürger zur Wahl. Und wir bitten um eine Stimme für das Ratsbegehren“, heißt es aus diesem Lager. 

Foto-Simulation: Die geplanten Windräder vom Ilmmünsterer Rathaus aus gesehen.

„Selbst erzeugter, sauberer Windstrom ist 1000 Mal besser als importierter Atom- und Kohlestrom“, betonen die Windpark-Befürworter. Außerdem werde man unabhängiger von Rohstoffen aus Russland oder dem Nahen Osten. Die Investition in Windkraft werde volkswirtschaftlich mehr bringen als sie kostet, die Rahmenbedingungen seien im Landkreis Pfaffenhofen ideal. Und im Wald gehe auch kein Baum verloren: Die nötige Fläche betrage zum einen gerade mal ein Prozent des besagten Forstgebiets  – zum anderen werde für jeden Baum, der weichen muss, wieder einer gepflanzt. Naturschutz-Fachstellen und -Verbände begrüßten das Projekt ebenfalls, heißt es weiter. Und was den Infraschall angeht, sieht man jegliche Befürchtungen klar widerlegt: Im Abstand von 650 Metern sei nämlich gar kein Infraschall mehr nachweisbar.

 

Der Widerstand gegen den Windpark war nicht nur still, sondern beschäftigt sogar die Polizei – es geht um eine Anzeige wegen Beleidigung.

An dem Projekt im Wittelsbacher Forst können sich – wenn es denn realisiert wird – die Bürger ab 100 Euro beteiligen, erklärt die BEG und spricht deshalb von einem Bürger-Windpark. Einwohner von Ilmmünster und der Nachbar-Gemeinde Reichertshausen werden den Angaben zufolge bei der Vergabe der Genossenschafts-Anteile gegenüber Einwohnern aus anderen Landkreis-Kommunen bevorzugt. „Außerdem können sich Bürger der Gemeinde Paunzhausen direkt an den Anlagen beteiligen.“  

Auch die Befürworter des Windparks werben plakativ.

In den vergangenen Wochen haben die Befürworter des Windparks wie auch die Skeptiker und Gegner mobil gemacht. Zuweilen ging es dabei recht emotional zu. Wie berichtet, ermittelt inzwischen sogar die Polizei: Franz Lisson, der Frontmann der Bürgerinitiative gegen die geplanten Windräder in der Gemeinde Ilmmünster, hat eine Anzeige am Hals. Er soll, als es bei einer Veranstaltung der Windpark-Gegner um Fragen aus dem Publikum ging, Georg Höhn auf dessen Wortmeldung hin das Mikrofon verweigert haben – und zwar angeblich mit den Worten: „Sie nicht! Ich kenne Sie. Ich weiß genau, welch hinterfotziger Drecksack Sie sind!“ Daraufhin erstattete Höhn Anzeige wegen Beleidigung. Die Ermittlungen bei der Pfaffenhofener Inspektion laufen noch. 

Muster-Stimmzettel für den morgigen Bürgerentscheid.

Weitere Links:

www.buergerwind-ilmmuenster.de (Befürworter)

www.windrad-monster-ilmtal.de (Gegner)

Homepage der Gemeinde Ilmmünster 

Bisherige Beiträge zum Thema:

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„Hinterfotziger Drecksack“

Ilmmünsterer Windpark-Befürworter formieren sich

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Das große Winden 

Auf dem Weg zum "Windpark Ilmmünster" 


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